Vertriebene Syrer trauen sich nicht zurück in ihre Heimat
Das brutale Vorgehen des Regimes hat zu einem Flüchtlingsstrom in die benachbarte Türkei geführt.
Güvecci/ Chirbet. Zwischen stacheligen Büschen und niedrigen Kiefern unterhalb des türkischen Grenzpostens ist ein leises Wispern zu hören. „Soldaten, Soldaten, gibt es hier Soldaten?“, fragen aufgeregt vier syrischen Jungen mit strubbeligen Haaren, die plötzlich wie aus dem Nichts auf dem rutschigen Trampelpfad auftauchen.
An den Füßen tragen sie Plastikschlappen. Geschickt worden sind sie von ihren Müttern, die drüben in einem Feld auf syrischem Boden Plastiksäcke- und Planen ausschütteln, unter denen die Familien im Regen eine feuchte Nacht verbracht haben.
Die Frauen schicken ihre Kinder zum Lebensmittelladen im türkischen Dorf Güvecci, weil die türkischen Soldaten ein Auge zudrücken, wenn sie die Knirpse beim illegalen Grenzübergang erwischen.
Erwachsene stellt man gleich vor die Wahl: Entweder kehren sie nach Syrien zurück oder sie werden in eines der vier Flüchtlingslager gebracht, die der türkische Rote Halbmond, eine Hilfsorganisation, errichtet hat. Eine halbe Stunde später klettern die Kinder mit Plastikbeuteln voller Fladenbrot den Hügel hinunter. Dann schlüpfen die Jungen durch ein Loch im Stacheldraht — zurück nach Syrien, wo ihre Familien unter einem Baum ihr Lager aufgeschlagen haben.
Eine Plastikplane, Decken, ein Teekessel und die Kleider, die sie am Leib tragen — mehr haben die Familien aus der 45.000-Einwohner-Stadt Dschisra al-Schogur nicht einpacken können. Sie flohen, als die Panzer der Armee in Hörweite waren, die brutal gegen Aufständische vorgingen. Daraus ist nun ein Flüchtlingsstrom von mehr als 9.000 Menschen geworden.
„Uns hilft niemand, nur Gott und die türkische Regierung“, sagt ein Syrer mit kurzem Bart. „Wir gehen erst dann in unsere Stadt zurück, wenn Baschar al-Assad gestürzt ist“, sagt ein junger Mann in Trainingshose. Er hofft auf ein Eingreifen der Staatengemeinschaft.
Doch wie übt man Druck auf einen Präsidenten aus, der Telefonanrufe von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nicht beantwortet? „Uns ist jedes Mittel recht“, sagt er, „selbst eine ausländische Militärintervention“.