Brexit Pinkwart sieht Chancen für NRW

Düsseldorf · Die Firmen könnten neue Kunden, Absatzmärkte und Mitarbeiter gewinnen.

Es muss keine Katastrophe werden: Zumindest bei einem weichen Brexit könnte sich für NRW-Firmen eine bessere Wettbewerbssituation ergeben.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Man könnte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ja als Märchenonkel abtun, der dem verbreiteten Haareraufen angesichts der bevorstehenden Brexit-Katastrophe mal eine positive Note entgegensetzen möchte, um die Stimmung zu heben. Aber immerhin hat er sich zur Untermauerung seiner These, dass zumindest ein geregelter Ausstieg der Briten für die NRW-Wirtschaft auch Chancen bietet, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) an die Seite geholt. Und dessen Direktor Michael Hüther ist überzeugt: „Der Brexit an sich wird keine Rezession auslösen.“

Pinkwart wendet die durch eine IW-Studie gedeckte Einschätzung noch weiter ins Positive: Im Gegensatz zu einer Makrobetrachtung, die die Gesamtfolgen des Brexits einzuschätzen versuche, sehe die Bewertung für die einzelnen deutschen Unternehmen anders aus: „Für sie ergibt sich zunächst einmal eine bessere Wettbewerbssituation.“ Es bestehe die Chance auf neue Kunden, neue Absatzmärkte und Vorteile bei der Mitarbeitergewinnung.

Fast hundert britische Firmen
inzwischen in NRW

Knapp hundert britische Firmen haben sich seit dem Referendum zum Brexit bereits in NRW angesiedelt – und dabei gut 2000 Arbeitsplätze mitgebracht. Und die Unternehmen haben nicht nur den Weg in die Metropolen Köln und Düsseldorf gefunden, sondern auch an den Niederrhein, ins Ruhrgebiet und sogar nach Ostwestfalen-Lippe.

In diese Richtung will Pinkwart über die landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW Invest weitergehen. Die IW-Studie hat britische und NRW-Regionen in Beziehung gesetzt. So sollen Unternehmen auf der Insel gezielter für einen Standort in NRW geworben werden.

Die Chancenerzählung des Wirtschaftsministeriums gilt allerdings vor allem für das Szenario eines weichen, also geregelten Übergangs. Doch die harte Variante ist noch immer nicht ausgeschlossen – im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit wächst von Tag zu Tag. „Beim harten Brexit gibt es eher Risiken“, räumt Pinkwart ein. Denn dann leide die Wirtschaftsleistung insgesamt.

Der Studie zufolge haben bereits mehr als zwei Drittel der NRW-Unternehmen Vorbereitungen auf den Brexit getroffen, teils schon unmittelbar nach dem Referendum 2016. IW-Direktor Hüter geht davon aus, dass eine wachsende Zahl von ihnen nun die Notfallpläne für einen harten Brexit umsetzt, je länger die Zeit der Ungewissheit anhält. In der Automobilindustrie beispielsweise passiere das bereits. Dort könne man sich das Risiko nicht leisten, dass die Lieferketten beim Wechsel zwischen dem Kontinent und der Insel womöglich mehrfach mit Zöllen belegt würden.

Kein Wunder also, dass drei von vier NRW-Unternehmen angeben, schon heute erste Auswirkungen des Brexits zu spüren – in der Summe allerdings eher (leichte) positive Effekte. Die Studie nennt sie handelsumlenkende Effekte: beispielsweise, wenn ein spanisches Unternehmen nun Ersatz für die bisherigen Lieferanten aus Großbritannien sucht.

Seitens des Landes besteht laut Pinkwart kein Anpassungsbedarf. Seine Aufgabe sieht er vielmehr in der Kommunikation, Information und Vermittlung. So sei an diesem Freitag zusammen mit den Industrie- und Handelskammern eine Informationsveranstaltung für Unternehmen in Dortmund geplant. Dort soll, so Pinkwart, auch Friedrich Merz, der Brexit-Beauftragte der Landesregierung, zu den Referenten zählen. Dessen Aktivitäten scheinen also entgegen anderslautenden Einschätzungen ebenfalls kein Märchen zu sein.