Meinung Das Recht auf den selbstbestimmten Tod

Meinung · Beihilfe zum Suizid: Gut, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Gesetzgebers korrigiert hat.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Foto: dpa/Uli Deck

Letzte Hoffnung Karlsruhe – das Bundesverfassungsgericht hat seinem Ruf, einem übers Ziel hinausschießenden Gesetzgeber Grenzen zu setzen, wieder einmal alle Ehre gemacht. In ihrem Sterbehilfe-Urteil haben die Richter Schluss gemacht mit einer Unsicherheit, die fünf Jahre lang bedrückend auf Ärzten lag. Und vor allem auf Menschen, die sich in größter Not an eben diese Ärzte wandten. Die Mediziner mussten befürchten, sich strafbar zu machen. Und sahen sich gezwungen, einem Menschen in auswegloser Situation die Tür zu weisen. Jemandem, der selbstbestimmt sagt: Ich will einfach nicht mehr. Lasst mich nicht allein. Helft mir. Bitte zwingt mich nicht, allein ins Ausland zu fahren und dort fernab von meiner Heimat allein in einem Zimmer einen Todescocktail einzunehmen. Bitte lasst mir nicht nur den Ausweg, mich vor den Zug zu werfen.

Nachdem der Bundestag 2015 die „geschäftsmäßige“ Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellte, dürfte es zahlreiche Fälle unter den jährlich etwa 10.000 Suiziden in Deutschland gegeben haben, in denen ein Sterbewilliger keine andere Möglichkeit für sich sah, als eine der brutalen Alternativen zu wählen. Damit war auch die Chance vertan, ihm zum Beispiel in Gesprächen oder mit Angeboten für Palliativmedizin, doch noch einen möglichen Weg zurück ins Leben aufzuzeigen.

Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich in Umfragen immer wieder für eine Liberalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen. Der Gesetzgeber machte 2015 das Gegenteil. Mit den Argumenten, die auch jetzt wieder von Kritikern des Urteils kommen: Dass die Selbsttötung so zu einer selbstverständlichen Therapieoption werde. Dass Menschen, weil sie anderen nicht zur Last fallen wollen, diesen Ausweg nehmen. Dass Ärzte, die die Sterbehilfe persönlich ablehnen, vor ein Dilemma gestellt werden.

Doch ebenso wie etwa bei Abtreibungen gibt es auch bei der Beihilfe zum Suizid  keine ärztliche Mitwirkungspflicht. Um dem befürchteten Dammbruch und den behaupteten gesellschaftlichen Druck auf Alte und Kranke zu begegnen, sollte die Gesellschaft Angebote machen. Und durchaus auch Regeln vorsehen. Zum Beispiel Aufklärungs- und Wartepflichten. Und die strenge Kontrolle von Sterbehilfe-Anbietern.

Doch bei all dem gilt: Die Entscheidung muss am Ende beim Einzelnen liegen. Die Richter haben deutlich gemacht, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht davon abhängig ist, dass der Betroffene eine unheilbare Krankheit hat. Die Gesellschaft hat nicht das Recht, den Stab über jemanden zu brechen, der autonom und nach wohl überlegter Entscheidung über sein Leben und sein Sterben entscheiden will.