Das SPD-Risiko heißt Ypsilanti

Hessen: Auf die Landeschefin hat die neue Führungsriege kaum Einfluss.

Berlin. Die größte Klippe, die Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier umschiffen müssen, befindet sich in Hessen. Während die beiden neuen Kapitäne der SPD für einen Kurs der Mitte stehen, setzt die hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti unbeirrt auf eine von der Linkspartei geduldete rot-grüne Minderheitsregierung.

Die Möglichkeiten der SPD-Spitze, auf Ypsilanti Einfluss zu nehmen, sind begrenzt. "Soll ich meine ehemaligen Soldaten da hinschicken, um Andrea Ypsilanti daran zu hindern, das zu machen?", fragte Ex-Verteidigungsminister und amtierende Fraktionschef Peter Struck sarkastisch. Der SPD-Bundesvorstand, dem auch Kanzlerkandidat Steinmeier angehört, hatte im Frühjahr einstimmig beschlossen, dass die Frage von Koalitionen in den Bundesländern Sache der Landesverbände ist. Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Bundesebene schließen Steinmeier und Müntefering aus.

Der designierte Parteichef Franz Müntefering hatte bei seinem Auftritt im Willy-Brandt-Haus gefordert, die SPD müsse bei einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei in den Ländern für klare Verhältnisse sorgen. Das Motto solle lauten: "Alles oder nichts, ganz oder gar nicht."

Auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warnte vor den Risiken einer Minderheitsregierung und plädierte stattdessen für eine förmliche Koalition. "Wenn sich die hessischen Kollegen für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei entscheiden, dann ist eine Koalition besser als ein loses Bündnis. Denn in einer Koalition ist die Verbindlichkeit größer", sagte Poß unserer Zeitung.

Der zum linken SPD-Flügel zählende Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit warnte das neue Führungsduo Müntefering-Steinmeier vor einem Kurswechsel. "Wenn jetzt einige glauben sollten, dass die SPD eine neue programmatische Ausrichtung mitgehen würde, wäre das fatal", sagte Wowereit. "Steinmeier und Müntefering sollten da sehr vorsichtig sein."

Ypsilanti traf sich gestern in Wiesbaden zu einem ersten Sondierungsgespräch mit der Linkspartei. Die SPD-Landeschefin sprach von einem "konstruktiven Gespräch in angenehmer Atmosphäre". Es sei noch nicht um Inhalte, sondern um die Zeitpläne beider Parteien bis zu einem möglichen Regierungswechsel in Hessen gegangen. Für den 4. Oktober ist ein SPD-Landesparteitag geplant, bei dem offiziell über Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und Tolerierungsgespräche mit der Linkspartei entschieden werden soll.