Georgien-Abkommen: Kaukasus-Krise schwelt weiter

Was die Europäische Union mit Russland ausgehandelt hat, birgt weiteren Konfliktstoff für die Zukunft.

Brüssel. Mit leeren Händen kam Nicolas Sarkozy wahrlich nicht aus Moskau zurück. Das Übereinkommen zwischen Frankreichs Präsidenten und derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Sarkozy sowie Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew über die Entschärfung der Kaukasus-Krise wurde gestern in Brüssel als "im Ganzen positiv" bewertet.

Freilich warnten EU-Diplomaten vor Euphorie über die Rolle der Europäischen Union als Friedensstifter: Wichtige Fragen wurden nicht geregelt, die Umsetzung des Abkommens bleibe abzuwarten.

"Es ist ein Fortschritt, weil die konfliktträchtigste Situation - die der russischen Soldaten in Georgien - entschärft wird", sagte ein EU-Diplomat. "Und es wird ab 15.Oktober internationale Verhandlungen geben. Auch dies ist ein Kernanliegen der EU."

Ein anderer mahnte: "Entscheidend ist natürlich, wie die Vereinbarung tatsächlich umgesetzt wird. Bisher haben wir da schlechte Erfahrungen gemacht." Nach vierstündigen Verhandlungen hatte die EU-Troika - neben Sarkozy auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Chefdiplomat Javier Solana - von Medwedew und Russlands Außenminister Sergej Lawrow eine Reihe wichtiger Zusagen bekommen.

So sollen die russischen Soldaten bis zum 1. Oktober aus den "Pufferzonen" in "Kern-Georgien" abgezogen und durch internationale Beobachter ersetzt werden, die von den Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und von der EU (200 Beobachter) gestellt werden.

Freilich verliert das von Sarkozy ausgehandelte Papier kein Wort über den Rückzug der russischen Truppen aus Abchasien und Südossetien. Noch im Sechs-Punkte-Plan von Sarkozy und Medwedew vom 12. August hatte es geheißen, die russischen und georgischen Soldaten müssten auf die Positionen vor dem Ausbruch des Konflikts vom 7. August zurückgezogen werden.

Russland machte nach der Abreise Sarkozys nun aber klar, dass es keineswegs beabsichtige, sich an die Zusage vom 12. August zu halten. Gestern versicherte Verteidigungsminister Andrej Serdjukow den als selbstständig anerkannten abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien, künftig sollten dort dauerhaft jeweils 3800 russische Soldaten stationiert sein - weit mehr als zuvor als "Friedenstruppe" präsent waren.

Sollte es keine Einigung über den Rückzug der russischen Soldaten auf die Positionen vor Beginn der Krise geben, so hätten sowohl die EU als auch Russland ein Problem.

Denn die Staats- und Regierungschefs der EU hatten bei ihrem Sonder-Gipfeltreffen vom 1. September klipp und klar formuliert: Falls sich die Truppen nicht auf die Positionen vor dem 7. August zurückziehen, so würden die Treffen zur Aushandlung eines wichtigen Partnerschaftsabkommens zwischen EU und Russland auf Eis gelegt.

Immerhin: In der Zusage, ab 15. Oktober in Genf über "Modalitäten der Sicherheit und Stabilität in der Region" zu verhandeln, sieht die EU eine Möglichkeit zu internationalen Gesprächen über die Regionalkonflikte. Georgien und Russland lehnen Verhandlungen über den Status Südossetiens und Abchasiens ab, weil sie den in völlig gegensätzlicher Form bereits für geregelt halten. Dennoch, so lautet die Brüsseler Lesart, gebe es die Chance zu diplomatischer Bewegung: "Wir müssen es einfach versuchen."