Pendlerpauschale: Richter haben das Wort

Analyse: Wie weit soll der Staat sich an den Kosten beteiligen? Karlsruhe verhandelt über Steuermilliarden.

Karlsruhe. Beim Bundesverfassungsgericht, dessen vornehmste Aufgabe der Schutz von Minderheiten ist, geht es diesmal nicht um die Rechte einer kleineren Gruppe. Millionen von Pendlern blicken heute nach Karlsruhe, in der Hoffnung, das höchste deutsche Gericht möge ihnen zurückgeben, was der Gesetzgeber ihnen genommen hat: die begehrte Pendlerpauschale.

Schon im Jahr 1920 konnten Fahrten zum Arbeitsplatz von der Steuer abgesetzt werden. Seither hat der Gesetzgeber die Kilometerpauschbeträge mal erhöht, mal gesenkt - doch abgeschafft hat er sie nie. Bis zum Erlass des Einkommensteuergesetzes 2007.

2,5 Milliarden Euro Einsparungen soll jener Paragraf 9 den Staatskassen bringen, mit dem lapidaren Satz: "Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte."

Damit war die Pauschale weg, wenigstens für die meisten. Zwar sind vom 21. Kilometer an weiterhin 30 Cent pro Kilometer abzugsfähig. Die Bundesregierung wollte so die Härtefälle lindern, deren Fahrtkosten sonst womöglich eine zu große Belastung wären.

Mit der Privilegierung der Fernpendler hat der Gesetzgeber jedoch ein verfassungsrechtliches Problem geschaffen, das bei der heutigen Anhörung vor dem Zweiten Senat in Karlsruhe ein zentrales Thema sein dürfte. So jedenfalls sieht es der Bundesfinanzhof, der die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig hält und deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen hat. In einer ausführlich begründeten Entscheidung kommen die obersten Finanzrichter zum Ergebnis: Eben wegen der unterschiedlichen Behandlung der einzelnen Pendlergruppen verstößt das Gesetz gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

Der Bundesfinanzhof nimmt den Gesetzgeber beim Wort: Die Arbeit beginne künftig am "Werkstor", Fahrten dorthin seien Privatsache, heißt es in der Gesetzesbegründung. Dem hält der Bundesfinanzhof entgegen: Wenn schon Werkstorprinzip, dann richtig - ohne Ausnahme für die Fernpendler.

Nach dem Karlsruher Urteil, das noch vor Jahresende erwartet wird, könnte die Arena für den politischen Streit - völlige Abschaffung kontra Pendlerpauschale für alle Pendler - neu eröffnet werden. Pünktlich zum Wahljahr 2009. Welche Zugkraft das Thema entfaltet, werden die Parteien dann an den Ergebnissen des laufenden Feldversuchs in Bayern ablesen können. Dort will die CSU bei der Landtagswahl Ende September ein 50-plus-X-Ergebnis einfahren - mit der Forderung nach Wiedereinführung der Pendlerpauschale.