Das umstrittene US-Wahlsystem
Washington. Über den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl entscheiden formal nicht jene US-Bürger, die bereits ihre Stimmen abgegeben haben oder am heutigen Dienstag ins Wahllokal gehen.
Der Wahlausgang wird am 17. Dezember besiegelt, wenn in den 50 Staaten sowie der Hauptstadt Washington D.C. die Wahlmänner, sogenannte "Elektoren", zusammentreten. Sieger wird jener Kandidat sein, der mehr als die Hälfte der 538 Elektoren, also mindestens 270 auf sich vereinigen kann.
Die sogenannte "Electoral College", nicht etwa eine Universität, sondern ein Wahlverfahren, geht auf die Gründerväter der Vereinigten Staaten zurück. Damals bestanden die USA aus nur 13 Staaten. Da man in den dezentral verwalteten Kolonien dem Konzept einer "Bundesregierung" ebenso wie dem Gedanken an einen Präsidenten, der die Regierungsgeschäfte für die gesamte, noch junge Nation verwaltet, misstrauisch gegenüberstand, wurde das Elektorensystem eingeführt. Dies sollte außerdem verhindern, das allein die größten Staaten den Wahlausgang bestimmen und sicherstellen, dass die dünner besiedelten Staaten ebenfalls ein Mitspracherecht haben.
Obwohl es im Verlaufe der Jahre mehrere Gesetzesvorstöße gab, um das antiquierte System abzuschaffen oder zumindest reformieren, hat das "Electoral College" bis heute Bestand, selbst nach dem Wahldebakel im Jahre 2000. Damals eroberte der Demokrat Al Gore 550.000 Direktstimmen mehr als der Republikaner George W. Bush, verlor aber die Wahl, weil nach einem mehr als einmonatigen Gerichtsverfahren Bush die Wahlmänner aus Florida zuerkannt wurden.
Die Anzahl der Wahlmänner, die auf die Staaten entfallen, entspricht deren Repräsentanz im Kongress. So hat beispielsweise Kalifornien wie jeder andere Staat zwei Senatoren, als bevölkerungsreichster der US-Staaten aber 53 Abgeordnete im Repräsentantenhaus und somit 55 Wahlmänner, gefolgt von Texas (32), New York (29) und Florida (25).
Zu einem Ergebnis wie vor 12 Jahren kann es deswegen kommen, weil mit der Ausnahme von Maine und Nebraska die Wahlmänner nicht proportional zu den Direktstimmen, sonder nach dem umstrittenen "winner take all" Prinzip verteilt werden. Eine Wiederholung dieses Szenarios, womöglich mit dem Demokraten Obama als Sieger, wird auch bei der laufenden Präsidentschaftswahl nicht ausgeschlossen.
Denkbar ist auch, dass es mindestens in einem Staat zu Nachzählungen kommt, die sich ebenfalls über Wochen erstrecken können. Zwar hat jeder Staat Gesetze, die den Automatismus festlegen. In den meisten gilt aber die Faustregel: Ist der Abstand zwischen den Präsidentschaftskandidaten nicht größer als 0,5 Prozent der abgegebenen Stimmen. In Virginia, Florida, New Hampshire und sogar Ohio liegen die Kandidaten an den Umfragen gemessen so dicht bei einander, dass obligatorische Nachzählungen keineswegs auszuschließen sind.
Zwar glauben Obama und die Demokraten, dass ihr Vorsprünge in den meisten der kritischen "swing Staaten" ausreichen, um ein solches Szenario zu vermeiden. Romney hingegen setzt auf die statistisch vernachlässigbare Fehlermarge in den Umfragen und glaubt, dass deutlich größere Wahlbeteiligung bei den Republikanern ihm den Sieg bescheren werden.