Die SPD und der lange Weg zurück zur linken Volkspartei

Der Start ist geglückt. In Dresden ging ein Ruck durch die Partei – allerdings kein gewaltiger Linksruck. Das eröffnet Chancen.

Dresden. "Es war ein großartiger Parteitag." Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel machte am Sonntag zum Abschluss des dreitägigen Kongresses in Dresden keinen Hehl daraus, dass er nicht nur die mehr als 500 Delegierten begeistert hatte - sondern offenbar auch sich selbst.

Und dann schob er noch eine seiner Journalisten-Schelten hinterher. Es habe sich gezeigt, dass diejenigen, die die SPD schon "kaputt geschrieben" hätten, Unrecht hatten. Dabei müsste Gabriel ein Blick in die Zeitungen eigentlich deutlich milder stimmen. Denn die Beobachter waren sich einig: Der Neustart ist geglückt.

Aus drei Gründen. Erstens: Die Abschiedsrede von Franz Müntefering war so gestrickt, dass anschließend eine reinigende Aussprache stattfinden konnte, ohne dass es persönliche Verletzungen gab. Trotz der zum Teil harten Kritik am Führungsstil des früheren SPD-Chefs wurde er schließlich herzlich verabschiedet - übrigens wie Peer Steinbrück, der am Ende seiner Politik-Karriere sogar einen richtigen Jubel-Applaus erhielt.

Zweitens: Der neue Vorsitzende Sigmar Gabriel erwies sich als hervorragender Rhetoriker, der gleich in mehreren Rollen glänzte - als Versöhner, Vordenker und Erneuerer. Drittens: Die SPD setzte linke Akzente, um sich in der Opposition von Schwarz-Gelb abzugrenzen, ohne dass dies nun ein gewaltiger Linksruck war.

Das muss sich noch herausstellen. Wer Volkspartei sein will, muss fest in der Mitte der Gesellschaft verankert sein. Es ist darum kein Zufall, dass die CDU gleich nach dem Parteitag der SPD genau das absprach. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte: "Die SPD ist nicht mehr Volkspartei, sondern Klientelpartei. Sie flüchtet immer weiter in die linke Ecke." Hinzu kommt die Frage, wie das neue Führungsteam künftig miteinander auskommt. Da sind Zweifel angebracht.

Deutlichste Änderung - und aus der Sicht der neuen Parteiführung eigentlich ein Unfall - war die Forderung nach Einführung einer Vermögensteuer. Dieser Punkt sollte eigentlich zurückgestellt und später diskutiert werden, wenn die SPD ein Konzept für eine eigene Steuerreform vorlegt - irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 2010, nach der NRW-Landtagswahl.

Doch die Parteilinke machte ernst mit dem Anspruch, nicht mehr einfach alle Vorgaben der Parteiführung abzunicken. Diese leistete dann vorsichtshalber auch keinen allzu großen Widerstand und ließ es zu, dass die Delegierten ihr Herzensanliegen beschließen konnten. Vorsichtiger agierte der Parteitag bei Hartz IV und der Rente mit 67. Bei diesen Themen forderte er nur eine Überprüfung.

Hervorragend. Landesparteichefin Hannelore Kraft erhielt nicht nur das beste Stimmenergebnis bei den Bundesvize-Wahlen. Von den zehn Kandidaten der NRW-SPD für die neue Parteiführung fiel keiner durch. Sogar die NRW-Grünen, Wunsch-Partner Krafts nach der Landtagswahl im Mai, waren voll des Lobes und gratulierten herzlich: "Wenn der SPD nach diesem Wochenende der Neuaufbruch gelingt, dann ist das gut."