„Die Syrer haben keine Angst mehr“

Das Assad-Regime ist in der arabischen Welt zunehmend isoliert. Die Gewalt geht dennoch weiter. Ein Deutsch-Syrer berichtet.

Damaskus/Münster. Es waren ungewöhnlich starke Worte, die der saudische König Abdullah in der Nacht zum Montag in die Fernsehkamera sprach: „Syrien weiß, dass die (saudische) Monarchie in der Vergangenheit zu ihm stand. Heute verlangt die Monarchie ein Anhalten der Tötungsmaschinerie, ein Ende des Blutvergießens.“

Präsident Baschar al-Assad müsse echte Reformen auf den Weg bringen, „bevor es zu spät ist“. Der Standpauke des greisen Monarchen war in Syrien ein blutiges Wochenende mit fast 100 Toten vorausgegangen.

„Die Einmischung des saudischen Königs kommt zu spät“, sagt Mohammad A. Der in Münster lebende Deutsch-Syrer verfolgt die Berichte aus seiner Heimat wie gebannt mittels des Sozialnetzwerks Facebook. Die Fotos und Handyfilme, die er dort gesehen hat, wühlen ihn zutiefst auf: „Freunde erzählen, dass Demonstranten gezielt von Scharfschützen erschossen werden. Andere berichten, dass die Kugeln wie ein Regen über die Menschen niederprasselten.“

Der 27-Jährige studiert Mund- und Kieferchirurgie in Münster, kam vor acht Jahren nach Deutschland. Aus Angst, dass seine Familie in der Heimat für seine Offenheit bestraft wird, möchte er nicht, dass sein vollständiger Name genannt wird.

Der angehende Arzt kommt ursprünglich aus der Stadt Daraa, in der die Proteste vor fünf Monaten begannen. Doch er hat auch Freunde in der von Panzern belagerten Stadt Hama. „Seit fünf Tagen gibt es dort kein Brot mehr, seit acht Tagen kein Telefon, zwei meiner Freunde wurden auf offener Straße erschossen — dieses Regime ist nicht reformfähig, es kennt nur Waffen und leere Worte“, sagt der 27-Jährige.

Er glaubt fest daran, dass das Regime stürzen wird. „Die Syrer haben keine Angst mehr. 20 Prozent der Bevölkerung protestieren auf den Straßen, in Ägypten reichten zwölf Prozent, um die Regierung zu stürzen.“ Dennoch befürchtet er, dass die Gewalt zunächst noch zunehmen wird.

Zudem hat er keine Hoffnung, dass sich das Militär langfristig weigern wird, gegen das eigene Volk vorzugehen. „Auch die Soldaten fürchten um ihr Leben. Der Geheimdienst ist immer dabei. “

Einen Militäreinsatz der Nato lehnt der Student ab. Stattdessen fordert er, dass europäische Union und Arabische Liga Druck aufbauen und ein Öl-Embargo durchsetzen. Die Forderung nach politischen Reformen, auch aus Deutschland, klingen für Mohammad A. dagegen wie Hohn: „Erst muss das Blutvergießen gestoppt werden.“