In der Koalition grummelt es
Die Finanzkrise alarmiert die Regierung. In den eigenen Reihen droht Widerstand gegen neue Griechenlandhilfen.
Berlin. Wer könnte das nicht verstehen? Angela Merkel hätte so gerne einen oder gar zwei politikfreie Tage an ihren Südtirol-Sommerurlaub angehängt. Seit Sonntag ist die Kanzlerin wieder in Berlin. Aus der zusätzlichen Freizeit wurde nichts. Regierungssprecher hatten am Montag damit zu tun, das Gerücht aus der Welt zu schaffen, die Kanzlerin habe ihren Urlaub unter dem Druck der Finanzkrise vorzeitig abgebrochen.
Trotz der Sommerpause ist die Stimmung im politischen Berlin ungewohnt hektisch. Im Kanzleramt liefen am Montag den ganzen Tag über die Fernseher, die minütliche Negativ-Kursänderungen an den nationalen und internationalen Börsen dokumentierten.
Zugleich gibt es ein deutliches Grummeln innerhalb der schwarz-gelben Koalition. Der Auslöser: der Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte der FDP-Fraktion, Frank Schäffler. Der Parlamentarier verlangte angesichts der sich zuspitzenden Lage und der drastisch fallenden Kurse eine Sondersitzung des Bundestages. Der 42-jährige Diplom-Betriebswirt begründet dies mit der absehbar weiteren Zuspitzung der Krise.
Er steht bei den Liberalen mit seiner Sorge, das Parlament könne bei der Entscheidung ohne hinreichende Beteiligung vor vollendete Tatsachen gestellt werden, nicht allein. FDP-Chef Philipp Rösler hatte schon vorher verlangt, die ausführliche Befassung des Parlaments müsse sichergestellt werden. Das dahinter stehende Problem: Merkel und Rösler können sich nicht sicher sein, dass ihre Mehrheit im Bundestag beispielsweise für die Unterstützung der Finanzhilfe an Griechenland steht. Zu deutlich häufen sich vor allem bei den Liberalen kritische Stimmen. Und auch die CDU scheint unsicher: Michael Fuchs, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, sagt: „Beschlüsse von einer solchen Tragweite sollte eine Regierung nicht ohne die Zustimmung der Partei fällen.“ Er fordert die Einberufung eines CDU-Sonderparteitages.
Hört man sich in der Regierungszentrale um, herrscht Unzufriedenheit über das Verhalten der EU. Merkel-Helfer klagen bitter über EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, der die neuerliche Krise an den internationalen Finanzmärkten mit der Veröffentlichung seines Alarmbriefes provoziert habe.
SPD-Chef Sigmar Gabriel wies auf die Uneinigkeit der EU als „die größte Gefahr“ für die Finanzmärkte hin. Merkel-Mitarbeiter teilen diese Einschätzung. Unsicherheit herrscht in Berlin auch über die Rolle der USA, die bis November 1,3 Billionen Dollar an Etatkürzungen durchsetzen müssen. „Die Euro-Zone wird nicht auseinanderfallen“, legte sich derweil Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fest.