Ein roter Ball zu Müntes Abschied
Bundespräsident Köhler gesteht: „Sie werden mir fehlen.“
Berlin. Für Menschen, die ihre Gefühle vor Kameras lieber verbergen, ist es vielleicht gut, wenn bewegende Augenblicke im amtlichen Zeremoniell erstarren. Vor der Verabschiedung von Franz Müntefering im Schloss Bellevue werden die Fotografen über die Anordnung der auftretenden Personen von links nach rechts unterrichtet, der Fußboden ist markiert, jeder wird seinen Platz finden. Wenig später stehen von links nach rechts Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler, Arbeitsminister Franz Müntefering und sein Nachfolger Olaf Scholz im Saal, protokollgemäß reglos.
Franz Müntefering lächelt so fest, dass man ahnt, wie schwer ihm der Rückzug nach zwei Jahren als Vizekanzler und Minister fällt. Aber weil alles so rasch und steif vonstatten geht, und weil er nichts sagen muss, kann er sich auf das Lächeln konzentrieren. Horst Köhler verliest die Entlassungsurkunde inklusive Dank für die treuen Dienste und Datum des Tages, und dann wird er doch leise persönlich: "Sie werden mir fehlen." Wenige Minuten später ist Olaf Scholz beurkundeter Arbeitsminister, und Müntefering fasst ihn am Arm, als sie gehen.
Es war die letzte öffentliche Station des Abschieds, seit Müntefering in der vergangenen Woche angekündigt hat, dass er seine wichtigste Aufgabe wahrnehmen wolle, sich um seine krebskranke Frau Ankepetra zu kümmern. Morgens im Kabinett hat die Kanzlerin ihm herzlich gedankt für seine Verdienste als ein Architekt der Großen Koalition. "Für dieses Land ist eine Menge auf den Weg gebracht, das ist Ihnen zu verdanken." Sie schenkt Müntefering einen rot-schwarzen Fußball, der die Namen aller Kabinettsmitglieder trägt. Müntefering freut sich, dass der so rot sei. "Es gibt eigentlich nur eine Grundfarbe, und die ist Rot", sagt er. "Und Schwarz ist auch nur ein ganz, ganz, ganz dunkles Rot."
Der Fußball gibt Müntefering Gelegenheit, seine unpolitischen Fertigkeiten vorzuführen und die Stimmung aufzulockern. Aber er adressiert auch einige ernste Sätze an die Koalition und an seine Partei: "Hier sitzen keine zwei halben Kabinette, sondern eine Regierung." Die Große Koalition habe eine Verantwortung auf Zeit für das Ganze und nicht für Teilmengen. "Die Regierung ist wichtig als Spitze des politischen Handelns", sagt er, woraus man seine oft geäußerte Mahnung an die SPD hören kann: "Opposition ist Mist."