Eine ungeheure Wut auf das System
Paketbomben: Die versuchten Anschläge auf europäische Regierungschefs gehen auf das Konto griechischer Extremisten.
Athen. Selbst alte, überzeugte Anarchisten haben Angst. Angst vor dieser neuen Generation, diesem allzu radikalen Teil der unzufriedenen griechischen Jugend, der seit zwei Jahren immer härter und rücksichtsloser agiert. "Diese jungen Leute haben das Vertrauen in die Politik verloren und haben eine ungeheure Wut auf das System", sagt einer, der sich auskennt, der seit Jahrzehnten in der Szene in Athen bekannt ist. Seinen Namen aber will er nicht genannt wissen.
Die erste große Gewaltwelle erschütterte das Land, nachdem im Dezember 2008 ein Polizist einen 15-Jährigen gezielt erschossen hatte. Wochenlang zerstörten Vermummte daraufhin Geschäfte und Banken in Athen und anderen griechischen Städten. Es war ein Fanal. Seither greifen immer mehr radikalisierte Griechen zur Waffe oder zu selbst gebastelten Bomben.
Im Januar 2009 wurde ein Polizist von schwer bewaffneten Extremisten angegriffen und lebensgefährlich verletzt, im Juni 2009 wurde ein Polizist ermordet. Es folgten mehrere Bombenanschläge auf Polizeistationen, einen Polizeibus, Banken und staatliche Einrichtungen. Am 27.Dezember 2009 richtete eine Bombe schwere Schäden am Gebäude einer Versicherung an.
Im Juni dieses Jahres schließlich detonierte eine Briefbombe in den Händen eines Sekretärs des griechischen Ministers für Öffentliche Ordnung. Der Mann kam ums Leben. Für Schlagzeilen sorgte das bislang vor allem im eigenen Land.
Das ist jetzt anders: Seitdem in den vergangenen Tagen mehrere Briefbomben an ausländische Botschaften in Athen verschickt wurden, seitdem eine Paketbombe im Berliner Kanzleramt eintraf, eine weitere in Bologna entschärft wurde, blickt die Welt auf Griechenland. Wer sind diese Terroristen, die die Regierungen in Europa in Alarmbereitschaft versetzen?
Die griechischen Experten sind sich weitgehend einig: Eine homogene linksextremistische Szene gibt es nicht. Auf der einen Seite sorgen Jugendliche für Aufruhr, die in dem krisengeschüttelten Land keinerlei Zukunftsperspektive sehen. Hinzu kommen Sprösslinge reicher Familien, die eine neue Gesellschaft wollen. In diesem See der Unzufriedenheit angeln verschiedene Untergrundorganisationen.
"Der Sprung von der Straße und dem Molotow-Cocktail zur Bombe und zur Schusswaffe ist dann leicht", sagt der alte Anarchist. Verantwortlich für alles Schlechte und Böse sei in den Augen dieser jungen Leute das kapitalistische System Griechenlands und der EU.