Wähler sprechen Obama das Misstrauen aus

US-Kongresswahlen: Die Wende ist perfekt. Weniger als zwei Jahre nach dem historischen Wahlsieg des ersten afro-amerikanischen Präsidenten ist das Ergebnis der Mid-Terms ein klares Misstrauensvotum an Obama und die Demokraten.

Washington. Die politische Wende in Washington ist perfekt. Weniger als zwei Jahre nach Barack Obamas historischem Wahlsieg haben seine Landsleute den Republikanern einen überzeugenden Sieg bei den Kongresswahlen beschert und damit dem Präsidenten sowie seinen demokratischen Parteifreunden ein klares Misstrauensvotum erteilt. Während die Konservativen sich selbst bejubeln, lecken niedergeschlagene Demokraten ihre Wunden. Den USA droht jedenfalls angesichts der gespaltenen Machtverhältnisse politischer Stillstand, mit dem niemand geholfen ist.

Im Grunde war das Ergebnis alles andere als überraschend. Im Repräsentantenhaus, das war schon seit Wochen aus allen Wählerumfragen hervorgegangen, würden die Konservativen als Folge der wachsenden Unzufriedenheit über die Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit einen Durchmarsch feiern und brauchten jede Menge Glück, um auch im Senat das Ruder herumzureißen. Zwar könnte es noch Wochen dauern, bis die endgültige Sitzverteilung in beiden Kongresskammern feststeht. Schließlich haben mehrere Kandidaten, die nur knapp unterlagen, das Wahlergebnis bereits angefochten.

Besonders skurril geht es in Alaska zu, wo der von der republikanischen Hoffnungsträgerin Sarah Palin gesponserte "Tea Party" Kandidat Joe Miller zwar in Führung liegt, aber mehr als 40 Prozent der Stimmen via Briefwahl abgegeben wurden und das Ergebnis noch kippen könnte. Sicher ist nur, dass im Unterhaus die Republikaner mehr als 60 Mandate dazugewinnen werden und im Senat ein Plus von nicht weniger als sechs verzeichnen werden, dort aber knapp in der Opposition bleiben werden. Damit ist sichergestellt, dass Obama während der nächsten zwei Jahre einem gespaltenen Parlament gegenüberstehen wird. Für wichtige neue Gesetzesinitiativen, ob es um Schritte zur Konjunkturbelebung, der Sozialreform oder der Förderung alternativer Energieen geht, verheißt das nichts Gutes.

Obama nahm das Ergebnis mit Demut und Gelassenheit hin. Er werde nach einem verbissenen und beispiellos schmutzigen Wahlkampf, in dem er von einigen als "Kommunist" und von anderen als "verkappter Islamist" oder gar "Hitler" beschimpft wurde, den Republikanern trotzdem einen Olivenzweig reichen und setze nun auf einen "Geist überparteilicher Zusammenarbeit", sagte der Präsident. Ein besonderes Anliegen ist es Obama, sich mit der Opposition noch bis zum Jahresende auf einen Kompromiss in der Steuerpolitik zu verständigen. Während das Weiße Haus die unter ex-Präsident George W. Bush verabschiedeten Steuererleichterungen nur für Ärmere sowie die Mittelklasse erneuern will, bestehen die Republikaner darauf, dass auch wohlhabendere Amerikaner weiterhin im Genuss niedrigerer Einkommenssteuern bleiben.

Der Steuerstreit und dessen wirtschaftlichen Ausrikungen dürften das beherrschende politische Thema sein, bis im Januar die formale Amtsübergabe über die Bühne geht und der 104. amerikanische Kongress seine Arbeit aufnimmt. Leicht haben wird es Obama mit seinem konzilianten Kurs aber nicht. Schließlich wird ihm an der Spitze des Repräsentantenhauses kein geringerer als John Boehner gegenüberstehen, ein erzkonservativer Abgeordneter aus Ohio, der Obamas Parteikollegin Nancy Pelosi als "Sprecher", faktisch das mächtigste Mitglied des Unterhauses, ablösen wird. Boehner zählt zu den schärfsten, polemischsten Kritikern des Präsidenten und hat bereits während des Wahlkampfes durchblicken lassen, dass er eher auf Konfrontation anstelle von Kooperation setzt.

Die feindselige Haltung führender Republikaner könnte Folgen nicht nur für die Wirtschaftspolitik haben, sondern Obama auch zwingen, den geplanten Truppenabzug aus Afghanistan zu überdenken und neue Akzente in der Sicherheitspolitik zu setzen. Trotz der verheerenden Wahlschlappe bleiben die Demokraten guter Dinge. Rahm Emanuel, Obamas scheidender Stabschef, der bereits als Regierungssprecher unter ex-Präsident Bill Clinton diente, erinnert an das politische Schicksal seines früheren Chefs: 1994, also zwei Jahre nach Clintons Erdrutschsieg bei der Präsidentschaftswahl, mussten die Demokraten bei den Kongresswahlen ebenfalls eine bittere Niederlage einstecken.

Doch das rhetorische Feuerwerk um jenen "Kontrakt mit Amerika", mit dem Newt Gingrich und die konservativsten Republikaner in den Wahlkampf gezogen waren, erlosch nach wenigen Jahren, und 1996 wurde Clinton problemlos wiedergewählt. "Es gibt keinen Grund", so ein siegessicher schmunzelnder Emanuel, "warum das Präsident Obama in 2012 nicht genauso passieren kann."