EU-Sondergipfel berät über mehr Wachstum

Brüssel/Berlin (dpa) - Mehr Wachstum und Eurobonds - in Europa wächst der Druck auf Deutschland für einen neuen Weg im Kampf gegen die Schuldenkrise.

Wachstumsimpulse sollen den strikten Sparkurs ergänzen. In diesem Punkt ist sich Berlin mit den EU-Partnern vor dem Sondergipfel an diesem Mittwoch weitgehend einig. Doch die Finanzierung ist umstritten. Vor allem sogenannte Eurobonds - gemeinsame Anleihen von Euro-Ländern zur Geldaufnahme am Kapitalmarkt - spalten die EU. Während Frankreich und Italien Eurobonds verlangen und die EU-Kommission bereits einen konkreten Fahrplan für deren Einführung fordert, bleibt Deutschland bei seiner strikten Ablehnung.

Die Bundesregierung sehe keinen Anlass, beim EU-Sondergipfel darüber zu diskutieren, hieß es am Dienstag in Regierungskreisen in Berlin. „Das ist eine gefestigte Überzeugung“, hieß es.

Beschlüsse werden bei dem Treffen nicht erwartet. Erst beim regulären EU-Gipfel Ende Juni (28. und 29.) wollen die Staatenlenker Schlussfolgerungen ziehen. Aber auch bis dahin werde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre ablehnende Haltung zu den gemeinsamen Staatsanleihen nicht ändern, hieß es. Berlin befürchtet nachlassenden Reformdruck auf Krisenländer und hält Eurobonds für einen Verstoß gegen EU-Recht, das eine gemeinsame Haftung ausschließt.

Dabei versuchten Diplomaten den Eindruck zu zerstreuen, Deutschland sei isoliert. Es gebe keinen Konflikt mit Frankreich, verlautete aus Regierungskreisen.

Der neue französische Staatschef François Hollande hatte das Thema Eurobonds wieder auf die Agenda gebracht. Unklar ist aber noch, was ihm im Detail vorschwebt. Hollande will Anleihen zur Finanzierung von Wachstumsprojekten für die konjunkturell angeschlagenen EU-Länder einsetzen. Bei dem Treffen in Brüssel sollten „alle Vorschläge, alle Ideen auf den Tisch“, um das Wachstum wieder anzukurbeln, hatte Hollande nach Abschluss des Nato-Gipfels in Chicago gesagt.

Die Bundesregierung kann sich zwar sogenannte Projektbonds vorstellen, diese hätten aber überhaupt nichts zu tun mit Eurobonds. Während es bei Eurobonds um die Finanzierung von Staatshaushalten geht, sollen bei Projektbonds mit begrenzten Mitteln private Investitionen in konkrete Infrastrukturprojekte erleichtert werden.

Die EU hat ein Pilotprojekt für solche Projektbonds als neue Geldquelle für wichtige Infrastrukturvorhaben beschlossen. Für Stromnetze, Straßen und Datenleitungen sollen bis 2014 rund 230 Millionen Euro aus dem EU-Budget als Garantien bereitstehen. Darauf einigten sich Vertreter von EU-Ländern, Europaparlament und EU-Kommission in Brüssel. Sie sollen 4,6 Milliarden Euro anstoßen.

Die EU-Kommission verstärkte unterdessen den Druck auf Berlin: Währungskommissar Olli Rehn fordert von den EU-Staats- und Regierungschefs einen „mittel- bis langfristigen Fahrplan“ für die Einführung von Eurobonds.

Bei dem Treffen in Brüssel steht eigentlich das Wachstum im Mittelpunkt. „Es gibt keine einfachen Lösungen“, schreibt EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy in seiner Einladung. „Zweck (des Treffens) wird sein, sich auf Ziele und Ideen zum Wachstum in Europa zu einigen“, sagte der dänische Europaminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Nicolai Wammen im Straßburger Europaparlament.

In einigen Punkten herrscht im Grundsatz Einigkeit: Dazu gehört die Förderung großer Infrastrukturprojekte und eine stärkere Einbindung der Europäischen Investitionsbank (EIB). Frankreichs Forderung, den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin um einen Wachstumspaket zu ergänzen, wird inzwischen auch von der Bundesregierung akzeptiert. Berlin verlangt die Umsetzung der von der EU bereits verabschiedeten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung, für Strukturreformen sowie für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Bei dem Sondertreffen dürften die Staats- und Regierungschefs auch über die Schuldenkrise debattieren. Dabei werden die Lage im hoch verschuldeten Griechenland und die Auswirkungen der Bankenkrise in Spanien zur Sprache kommen. Spanien hat mehrfach europäische Notkredite für sein Land abgelehnt.

Der Chef der griechischen Linksradikalen, Alexis Tsipras, forderte vor dem Gipfel eine gemeinsame europäische Lösung der Schuldenkrise. Es sei ein auswegloser Weg, die Krise geografisch einzuschränken, warnte Tsipras in Berlin. „Wir bitten um die Solidarität der Völker in Deutschland und Frankreich.“ Erpressung sei der falsche Weg.

Offen bleibt beim EU-Gipfel voraussichtlich auch, wer dem Luxemburger Jean-Claude Juncker als Eurogruppenchef folgen wird. Medienberichten zufolge macht Hollande Front gegen eine Berufung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Entscheidung soll aber nicht schon am Mittwoch fallen.