Euro-Krise überschattet EU-Gipfel
Brüssel/Lissabon (dpa) - Die Sorge um einen Bankrott Portugals belastet den EU-Gipfel in Brüssel. Die Regierungskrise in Lissabon nährt Spekulationen, dass das hochverschuldete südeuropäische Land nicht mehr länger ohne Hilfe auskommt.
Schon bald könnte Portugal als zweiter Kandidat nach Irland unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Beim Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel wurden noch keine Entscheidungen über ein solches Hilfspaket erwartet.
Der Gipfel will ein historisches Paket zur Stabilisierung des Euro beschließen. Portugals zurückgetretener Ministerpräsident José Sócrates wollte teilnehmen. Weitere Themen sind der Militäreinsatz in Libyen und die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Japan auf die EU.
Europäische Gewerkschaften organisierten Demonstrationen gegen die Sparpolitik in EU-Staaten. Tausende gingen in Brüssel auf die Straße. Die Veranstalter erwarteten 20 000 Menschen. Am Morgen kam es nahe des Tagungsgebäudes zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizei.
Beim Euro sind die Sorgen groß: Inmitten der schweren Krise hat Portugal keine handlungsfähige Regierung mehr. Das Scheitern der Sparpläne erschüttert das Vertrauen der Investoren weiter.
Lissabon wäre das dritte Land nach Griechenland und Irland, das seine EU-Partner um Hilfe bitten müsste. Nach Expertenschätzung benötigt Portugal zwischen 60 und 70 Milliarden Euro aus dem Fonds. „Es ist kaum davon auszugehen, dass Portugal bis zu den Neuwahlen ohne fremde Hilfe auskommen wird“, schrieb Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil.
Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei dem Frühjahrsgipfel ein Paket zur Absicherung des Euro beschließen. Der Schritt gilt als historisch, denn es ist die größte Reform seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Ziel ist es, die Märkte zu beruhigen und künftige Schuldenkrisen zu vermeiden. Doch Ökonomen gehen die Pläne nicht weit genug und auch die Märkte zeigen sich unbeeindruckt.
Beim Euro-Paket stockt Europa die Hilfen für Staaten, die unmittelbar vor dem Bankrott stehen, auf. Es vergrößert den Rettungsschirm und spannt ihn dauerhaft auf. So wird der jetzige Fonds auf 440 Milliarden Euro aufgestockt.
Von 2013 an wird es einen neuen Schirm (ESM), der auf Dauer angelegt ist, von rund 700 Milliarden Euro geben. Er löst den ESFS auf, der im Mai vergangenen Jahres auf dem Höhepunkt der Krise überhastet geschaffen wurde. Von 2013 an sollen private Gläubiger an Rettungskosten beteiligt werden.
Zweitens verpflichten sich alle 17 Euro-Länder dazu, ihre Wirtschaftspolitik abzustimmen („Pakt für den Euro“). Zudem bekennen sich die Staaten zum Sparen und zu Wirtschaftsreformen. Doch Schuldensünder werden auch künftig nicht automatisch bestraft. Volkswirte bemängeln, dass die EU nur halbherzig vorgehe und noch keine dauerhafte Basis schaffe: „Bislang haben wir nur Übergangslösungen und das spüren auch die Märkte“, sagte Deutsche Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer dem „Handelsblatt“.
Portugal war nach dem Rücktritt von Premier Sócrates am Mittwochabend in den Fokus gerückt. Sein neues Sparpaket, das die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 4,6 Prozent drücken sollte, war im Parlament durchgefallen. Portugal leidet unter der Schuldenlast, aber auch unter hohen Zinsen für seine Verbindlichkeiten.
Der Rücktritt belastete den Euro, der am Morgen mit 1,41 US-Dollar gehandelt wurde. Noch am Dienstag hatte der Euro mit 1,4250 Dollar den höchsten Stand seit November 2010 erreicht.
Vor dem EU-Gipfel rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Kritiker in den eigenen Reihen und die Opposition auf, sich gemeinsam für die Euro-Rettung einzusetzen. „Deutschland profitiert vom Euro wie kaum ein anderes Land in der Europäischen Union“, sagte Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag vor dem Abflug nach Brüssel. „Die Haftung für Deutschland ist nach oben begrenzt.“ Deutschland muss über fünf Jahre gestreckt rund 22 Milliarden Euro für den neuen Rettungsschirm einzahlen.