Kapitalanlage Gesundheit Ärzte sehen sich durch Großinvestoren bedroht
Düsseldorf · Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, sieht auch eine Gefahr für das Patientenwohl.
Bei den Zahnärzten wird die Entwicklung schon seit längerem mit Skepsis gesehen, jetzt schlägt auch die Ärztekammer Nordrhein Alarm. Die berufliche Vertretung von mehr als 61 000 Ärztinnen und Ärzten warnt: Kapitalgetriebene Fremdinvestoren bedrohen zunehmend die ambulante flächendeckende medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte.
Kammerpräsident Rudolf Henke, der für die CDU im Bundestag sitzt, befürchtet, dass es zu einer „Dominanz wirtschaftlicher Interessen gegenüber medizinischen Belangen kommen könnte“. Das Thema betreffe damit nicht nur die Ärzte selbst. Mit Blick auf das Patientenwohl mahnt Internist Henke, die sich abzeichnende Monopolbildung könne dazu führen, dass die Wahlfreiheit für Patienten verloren gehe. Es werde schwerer werden, sich im Umkreis des eigenen Wohnortes eine Zweitmeinung von einem unabhängigen Arzt einzuholen.
Auf die Frage, ob die Entwicklung auch dazu führen könne, dass am Ende die Qualität der ärztlichen Versorgung abnehme, sagt Henke, dass bei zunehmender Marktdurchdringung der finanzstarken Investoren so etwas durchaus passieren könne. Henke nennt als Beispiel die Praxis in den USA, wonach eine Dialysebehandlung (künstliche Blutwäsche bei Nierenerkrankung) etwa 30 Prozent kürzer sei als in Deutschland. Wenn aus wirtschaftlichen Gründen auch hierzulande eines Tages die Behandlungsdauer verkürzt werde, werde das sehr wohl Einfluss auch auf die Qualität haben.
Die medizinische Versorgung
als Eldorado für Anleger
Henke zitiert eine große Unternehmensberatung, nach deren Einschätzung das deutsche Gesundheitswesen ein „Eldorado für Anleger“ sei. Der Ärztevertreter seinerseits warnt indes vor einem „industriell gestalteten Gesundheitswesen“. Zunehmend zeichne sich eine Konzernbildung in der ambulanten Ärzteversorgung ab. So arbeiteten Nephrologen (Nierenspezialisten) Laborärzte, Radiologen und Strahlentherapeuten oftmals in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die von Konzernen betrieben werden.
In solchen MVZ können sich seit 2004 Ärzte verschiedener Bereiche zusammenschließen und so im Team arbeiten. Gerade in kapitalintensiven Bereichen wurden diese MVZ auch zunehmend von Investoren gegründet, die keinen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung hatten. Im Jahr 2012 wurde dann gesetzlich geregelt, dass die Leitung eines MVZ in der Hand eines Arztes liegen muss. Und dass die Ärzte in medizinischen Fragen weisungsfrei sein müssen. Doch Investoren haben weiterhin die Möglichkeit, durch den Ankauf eines Krankenhauses daran angeschlossene MVZ zu betreiben.
Die Ärztekammer Nordrhein hat nun mit der Kassenärztlichen Vereinigung ein gemeinsames Papier mit Warnungen und Vorschlägen zum Gegensteuern verfasst. So versucht man ein weiteres Fortschreiten der aus Ärztesicht unheilvollen Entwicklung zu verhindern. MVZ sollen sich, wenn sie einzelne Arztpraxen übernehmen, nicht nur auf besonders lukrative ärztliche Versorgungsangebote beschränken dürfen, sondern weiterhin die gesamte Palette der medizinischen Grundversorgung anbieten müssen. Auch solle in MVZ die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte bei den für das Zentrum tätigen Ärzten liegen. Sollten diese und weitere Grenzen vom Gesetzgeber nicht gesetzt werden, dann ist das Szenario für die Ärztevertreter klar. Sie warnen: „In von Konzernen betriebenen MVZ spielen Renditegesichtspunkte eine erhebliche Rolle. Die in den MVZ tätigen Vertragsärzte und angestellten Ärzte geraten unter den Druck einer ausschließlich ökonomischen Leistungsauslastung.“