Verschuldeter Priester Durfte das Kölner Bistum so freigebig sein?
KÖLN/MÜNSTER · Im Fall der Ablösung von 500 000 Euro Schulden eines Priesters sind weiterhin viele Fragen offen – heftige Kritik von Kirchenrechtler Thomas Schüller.
Auch drei Wochen nach Bekanntwerden bleiben die Umstände des Falles rätselhaft, in dem das Erzbistum Köln die Schulden eines Priesters in Höhe von knapp 500 000 Euro bezahlte. Und auch noch einmal 650 000 Euro Steuerschuld nebst Zinsen begleichen musste. Wie konnte der Priester einen solchen Schuldenberg aufhäufen? Warum hat ihn das Bistum nicht darauf verwiesen, eine Privatinsolvenz anzumelden und auf diese Weise nach ein paar Jahren schuldenfrei zu sein? Warum wurde vor den Zahlungen nicht einmal das Gremium des Bistums beteiligt, das über dessen Finanzfragen wachen soll: Der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat, der laut Selbstbeschreibung „mit einem unverstellten Blick über finanzielle Fragen des Erzbistums berät“.
Wir haben beim Bistum Köln nachgefragt und den Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller um seine Einschätzung gebeten. Auf die Frage, warum der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat des Bistums nicht in den hohen Mittelabfluss eingebunden war, heißt es aus der Medienabteilung des Bistums: Eine externe Expertise habe ergeben, dass die Voraussetzung für eine Gremienbeteiligung nicht gegeben war. Und: Es bestünden „keine Anhaltspunkte, dass die Unterstützung des Priesters durch das Erzbistum als solche nicht rechtmäßig war“.
Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisiert das: „Das Erzbistum sagt nicht, welche rechtliche Expertise es eingeholt hat und was in dieser Expertise inhaltlich enthalten ist. Vor allem nennt es keine nachvollziehbaren rational-juristischen Argumente für seine Position, dass das Rechtsgeschäft nicht der Zustimmung der zuständigen Gremien bedurft hätte.“
Ein Millionen-Sondervermögen, auf das der Erzbischof Zugriff hat
Hintergrund: Die Unterstützung des Priesters wurde aus dem sogenannten BB-Fonds des Bistums bestritten. BB steht für „Bedürfnisse des Bistums“. Über die Mittelverwendung dieses Sondervermögens entscheidet der Kölner Erzbischof, also Rainer Maria Kardinal Woelki. Nach Auskunft des Erzbistums betrug dieses Sondervermögen nach dem Jahresabschluss 2020 rund 16,8 Millionen Euro. Bestritten werden daraus laut Bistum zum Beispiel die Finanzierung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie. Aber auch Zahlungen für Opfer sexuellen Missbrauchs, begangen durch kirchliches Personal.
Kirchenrechtler Schüller sagt zu der Entnahme des Geldes ohne Einschaltung der Aufsichtsgremien: „Dieses Geld wurde aus dem BB-Fonds entnommen ohne Gegenleistung, und damit ist es ein Schlechterstellungsgeschäft, das nachweislich das Volumen des BB-Fonds minimiert hat. Nach den Normen des kirchlichen Vermögensrechts und den entsprechenden Partikularnormen der Deutschen Bischofskonferenz hätte hierfür die Zustimmung eingeholt werden müssen.“ Und in Richtung des Kirchensteuer- und Wirtschaftsrates sagt Schüller: „Sollten sich die Mitglieder des Wirtschaftsrates mit diesen Erklärungen des Erzbistums Köln zufrieden geben, dann kommen Sie meines Erachtens nicht ihren originären Aufsichtspflichten nach.“
Gerade mit Blick auf Zahlungen an Opfer sexuellen Missbrauchs ist der BB-Fonds interessant. Auf die Frage, ob es stimmt, dass für Betroffene aus sexuellen Missbrauchsfällen eine Maximalsumme von 50 000 Euro vorgesehen ist, antwortet das Bistum: „Bei der Bemessung der Leistungshöhe orientiert man sich an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern. Daraus ergibt sich ein grundsätzlicher Leistungsrahmen von bis zu 50 000 Euro, der in besonders schweren Härtefällen allerdings auch überschritten werden kann.“
Maximalgrenze von 50 000 Euro gilt nur für Missbrauchsopfer
Warum gilt dann die entsprechende Grenze für Zahlungen aus dem BB-Fonds nicht auch für andere Fälle – warum war es im Fall des verschuldeten Priesters gar die zehnfache Summe, die 2015 und 2016 übernommen wurde? Das Bistum sagt, hier handle es sich um einen „unvergleichbaren Einzelfall. Im Vorhinein Grenzen zu ziehen für unterschiedliche Sachverhalte, die sich nur schwer miteinander vergleichen lassen, erweist sich oft als schwierig und nicht sachgerecht“.
Ein vergleichbares Vorgehen wie in dem beschriebenen Einzelfall sei heute nicht mehr vorstellbar. Und die Bistumsverantwortlichen gestehen zu: „Dass die damalige Entscheidung zu diesem Einzelfall bei den Gläubigen und in der Öffentlichkeit insgesamt kritisiert und daran Anstoß genommen wird, ist in besonderem Maße nachvollziehbar.“
Aber schmälert die Ablösung der Schulden im Ergebnis nicht das Fondsvermögen – dann steht doch für Missbrauchsopfer weniger Geld zur Verfügung? Nein, das sei nicht der Fall, wird vom Bistum versichert. „Es wurde kein Geld verwendet, das für die Zahlung von Leistungen an Betroffene von sexualisierter Gewalt vorgesehen ist. Die dafür gebildeten Rückstellungen sind weiterhin in voller Höhe für diesen Zweck verfügbar.“
Warum wurde der Priester nicht auf den Weg der zivilrechtlichen Privatinsolvenz verwiesen? Der Zahlungen aus dem Fonds hätte es dann nicht bedurft. Die Antwort aus Köln: „Damals war man der Ansicht, dass dem sich in einer akuten und völlig außergewöhnlichen, persönlichen Notlage befindlichen Geistlichen geholfen werden muss. Heute würde man anders reagieren und von Anfang an auf das Privatinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung verweisen.“
Was war der Grund für diese doch außergewöhnlich hohen Schulden des Priesters? Dazu das Bistum: „Dem Erzbistum liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass es sich bei den Verbindlichkeiten um ,Spielschulden‘ handelt.“ Aber woher rühren die Verbindlichkeiten dann? Dazu möchte man nichts sagen. „Zur Art der Verbindlichkeiten kann das Erzbistum aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Stellung nehmen“, heißt es nur.
Kirchenrechtler Schüller sieht aber noch eine ganz andere Dimension des Falles: „Zu fragen ist weiterhin, warum das Erzbistum gegen den Priester, der nicht nur Schulden gegenüber Dritten hatte, sondern auch in zwei Kirchengemeinden Geld widerrechtlich entnommen hat, nicht angezeigt hat wegen Unterschlagung und Untreue. In vergleichbaren Fällen im gleichen Zeitraum im Erzbistum Freiburg und Bistum Aachen haben diese Bistümer ihre Priester bei vergleichbarem Tatgeschehen – erheblicher Griff in die jeweiligen Gemeindevermögen – bei den staatlichen Strafverfolgungsbehörden angezeigt und beide Priester wurden staatlich rechtskräftig verurteilt.“