Freiwilliger Wehrdienst mit Hintertür

Die Truppe steht vor einer Radikalreform. Offenbar soll die Wehrpflicht de facto abgeschafft werden.

Berlin. Ende Mai ließ Karl-Theodor zu Guttenberg seinen großen Testballon steigen. Als Ort für die Botschaft an die Truppe hatte sich der CSU-Politiker die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ausgesucht. Die Bundeswehr in Zeiten internationaler Auslandseinsätze brauche "für die Zukunft" auch "Kräfte, die strukturell über die Fähigkeiten zum Kampf im hochintensiven Gefecht verfügen". Wenn "als Resultat" dieses Befundes "weniger Kräfte finanzierbar sind, müssen wir uns dieser Realität stellen", stellte er die Größe der Armee mit derzeit gut 250.000 Soldaten zur Disposition.

Mittlerweile sind knapp drei Monate vergangen, in denen im Verteidigungsministerium Experten über eine Neuausrichtung der Bundeswehr getüftelt haben. In dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, werden insgesamt fünf Modelle skizziert. Dem Vernehmen nach soll Guttenberg selbst "Modell 4" bevorzugen. Demnach hätte die Bundeswehr statt bisher 195.000 Berufs- und Zeitsoldaten künftig noch 156.000. Dieses Modell will zudem rund 7500 Wehrpflichtige pro Jahr auf freiwilliger Basis für die Bundeswehr gewinnen. Rechnet man die Flugbereitschaft und die Sportförderung dazu, käme die Bundeswehr damit auf rund 165.000 bis 170.000 Soldaten.

Dieses Modell gilt in Kreisen der Autoren als "bezahlbar", berücksichtige die Bedenken von FDP und SPD und sei auch noch für jene Unionspolitiker "akzeptabel", die von der Wehrpflicht geprägt seien. Im Falle des Aussetzens bliebe die allgemeine Wehrpflicht weiter im Grundgesetz festgeschrieben. Damit könnte sie bei Bedarf wieder aktiviert werden. Zudem gilt die Variante 4 mit dem freiwilligen Wehrdienst nach Einschätzung der Autoren als "gerichtsfest" und "sehr flexibel", was die demografische Entwicklung angeht.

Allerdings machen die Planer deutlich, dass der Freiwillige Wehrdienst länger dauern müsse als die zuletzt zwischen Union und FDP im Koalitionsvertrag verabredeten sechs Monate des allgemeinen Grundwehrdienstes. Erst eine Mindestdauer des Freiwilligen Wehrdienstes von sieben Monaten erlaube eine "solide und umfassende Ausbildung" beziehungsweise "Vorbereitung auf die Wahrnehmung des Dienstpostens". Die Dauer der Dienstzeit soll dabei durch den freiwilligen Wehrdienstleistenden beantragt werden.

Sollte dabei eine Teilnahme an einem Auslandseinsatz beabsichtigt sein, müsse sich der Kandidat für "mindestens 15 Monate" zum Dienst in den Streitkräften melden. Insgesamt sollte die Wehrdienstzeit bei Freiwilligkeit nicht über 23 Monate hinausgehen.