Für Chinesen ist der Arztbesuch ein Luxus
Peking will das Gesundheitssystem erneuern. Krankheit kann eine ganze Familie ruinieren.
Peking. Es ist ein Plan, aber nicht die Lösung. Die Reaktionen auf die geplante Gesundheitsreform in China schwanken deswegen zwischen Hoffnung und Zweifeln. Alle sind sich einig: Das komplizierte und vielfach korrupte Gesundheitswesen muss umgekrempelt werden.
"Medizinische Behandlung ist zu teuer und schwer erhältlich", spricht die Regierung in Peking von einem "drängenden Problem". Denn kaum etwas bereitet den 1,3 Milliarden Chinesen heute mehr Sorgen als die Mängel im Gesundheitswesen - nicht einmal Arbeitslosigkeit oder hohe Ausbildungskosten.
Mit den Reformen will die Regierung den Zugang zu einer Basisversicherung erleichtern, die Kosten für Medikamente begrenzen und medizinische Einrichtungen ausbauen.
In drei Jahrzehnten marktwirtschaftlicher Reformen in China ist das alte kommunistische Wohlfahrtssystem, das die Chinesen von der Wiege bis zum Grab versorgt hatte, weitgehend abgebaut worden. Während sich die Pro-Kopf-Einkommen seit 1985 verzwanzigfacht hätten, seien die Gesundheitsausgaben eines jeden Chinesen um das 133-fache gestiegen, rechnete die Regierung vor.
Behandelt wird nur gegen Vorkasse. Ein Arztbesuch wird zum Luxus. Nur über gute Beziehungen lässt sich heute ein Bett in einem guten Krankenhaus ergattern. Die Ersparnisse ganzer Familien gehen für Operationen oder Medizin drauf.
Die öffentliche Hand trägt nur noch einen kleinen Teil der Betriebskosten eines Krankenhauses. So finanzieren sich Kliniken immer stärker über den Verkauf von Medikamenten. Da auch Arztgehälter zur Hälfte von den Verschreibungen abhängen, werden Patienten oft unnötig viele und teure Medikamente verabreicht.
"Diese Situation hat zu hohen Behandlungskosten und Korruption im Ärzteberuf geführt", kritisierte selbst die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Es gilt als "offenes Geheimnis", dass Ärzte von Pharma-Herstellern geschmiert werden.
Daran wird die Reform wenig ändern. "Die Verbindungen zwischen Medizinern und Arzneiproduzenten werden so schnell nicht gekappt werden", glaubt der Chef der Ärztevereinigung, Zhong Nanshan. Die Behandlungskosten könnten ja nicht entsprechend erhöht werden.
Viele Fragen müssen noch geklärt werden. Künftig sollen privat finanzierte Kliniken und staatliche Krankenhäuser gleich behandelt werden. In drei Jahren sollen umgerechnet 95 Milliarden Euro ins Gesundheitswesen investiert werden. 60 Prozent sollen allerdings örtliche Stellen beitragen, deren Kassen nicht zuletzt wegen der Wirtschaftskrise leer sind.