Gauweilers Milliardenklage

Der CSU-Politiker und die Linksfraktion streiten in Karlsruhe Seite an Seite gegen den Rettungsfonds.

Düsseldorf. Am kommenden Dienstag wird es ernst. Vor dem Bundesverfassungsgericht geht es dann im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz um die 700-Milliarden-Frage: Hat das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Mitmachen bei Eurorettungsschirm ESM und Fiskalpakt Bestand oder wird es jedenfalls vorläufig gestoppt?

Diejenigen, die da die höchsten Richter um Hilfe anrufen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Da ist nämlich nicht nur der Verein „Mehr Demokratie“ und die 12 000 Unterschriften besorgter Bürger. Da sind auch die beiden „Außenflanken“ der Verfassungskläger: An der einen steht die Linksfraktion des Bundestags. An der anderen findet sich einer, der in den 1990er Jahren noch unter Max Streibl und Edmund Stoiber leibhaftiger bayrischer Minister war: CSU-Mann Peter Gauweiler hätte sich damals wohl kaum vorstellen können, dass er eines Tages mal Seite an Seite mit den Sozialisten kämpft.

Doch das Ziel eint, auch wenn er sich nicht der Klage der Linken anschließen wollte, sondern eine eigene 87-Seiten-Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe schickte.

Gauweilers Argumente werden die höchsten Richter nicht so einfach wegwischen, drücken sie doch durchaus die Ängste aus, die es auch in der Bevölkerung gibt. Hier einige seiner Kernthesen:

Milliarden-Haftung: Der dauerhafte Europäische Staabilitätsmechanismus (ESM) werde in einem unkündbaren völkerrechtlichen Vertrag auf ewige Zeiten geschlossen. Die Haftungssumme sei mit 700 Milliarden Euro riesig, der deutsche Anteil mit knapp 190 Milliarden Euro ebenfalls. Weitere Erhöhungen: Zwar könne das Parlament formal bei künftigen Kapitalerhöhungen mitreden. Diese Parlamentsvorbehalte stünden jedoch nur auf dem Papier. Es sei illusionär, dass der Bundestag künftigem Druck zu ständigen Ausweitungen der Haftungssumme standhalten könne.

Deutscher Beitrag: Kämen andere Länder ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, werde der von Deutschland einzuzahlende Beitrag automatisch höher.

Verlust der Handlungsfähigkeit: Weil das Haftungsvolumen das Dreifache eines Bundeshaushalts erreiche, verliere der Bundestag seine Fähigkeit, die Haushaltsentwicklung zu steuern.

Kontrollverlust: Über die Zahlung von Stabilitätshilfen in dreistelliger Milliardenhöhe werde von parlamentarisch nicht verantwortlichen Fachleuten entschieden.

Demokratieprinzip: Wenn die Politik den Schritt in eine Haftungs- und Transferunion gehen wolle (ein EU-Staat haftet für den anderen), so sei dafür die Zustimmung des Volkes erforderlich, mithin ein Volksentscheid.

Dass Gauweiler und auch die anderen Kläger die Vorhaben in einem Eilfverfahren stoppen wollen, hängt mit einer Befürchtung zusammen: Würden die Verträge ratifiziert, so wäre Deutschland völkerrechtlich gebunden — ohne Rückholmöglichkeit. In dem Eilverfahren, in dem die Richter nun am Dienstag in mündlicher Verhandlung beraten werden, kann es nur eine einstweilige Anordnung geben. Was heißen kann, dass die Ratifizierung der Verträge aufgeschoben wird.

In der späteren Hauptsache-Entscheidung müssten die Richter Farbe bekennen: Sind die Gesetze verfassungswidrig? Wenn ja, so bliebe wohl nur der Weg einer Verfassungsänderung, um das Projekt doch noch durchzusetzen — gegebenenfalls per Volksabstimmung.

Aber wird nicht schon durch die Verzögerung aufgrund der nun eingelegten Rechtsmittel das Risiko einer weiteren wirtschaftlichen Destabilisierung erhöht, wenn die Sache schon in Deutschland so zäh verläuft? Dem Argument begegnet der Verein „Mehr Demokratie“ in seiner Klage so: Befürchtete, aber nicht eindeutig zu prognostizierende und häufig irrationale Marktreaktionen dürften nicht von vornherein in eine Abwägung mit den Folgen schwerer Grundrechtsverletzungen einbezogen werden.