Gentest-Debatte: „Niemand hat es sich leicht gemacht“

Die Abgeordneten debattieren emotional, Fraktionszwänge sind aufgehoben. Am Ende gibt es grünes Licht für die Gentests.

Berlin. Im Falle der Abgeordneten Dorothee Bär (CSU) ist es die Hebamme. Die Abgeordneten führen an diesem besonderen Tag alle nur denkbaren Zeugen auf. In der emotionalen Debatte geht es um nichts weniger, als um eine Entscheidung über Leben und Tod. In solchen Fällen zählen keine Fraktionsgrenzen mehr.

Der Bundestag muss in namentlicher Abstimmung über drei Gesetzentwürfe entscheiden, nach denen es in Deutschland künftig verboten — oder nach unterschiedlich strengen Ausnahmen — doch erlaubt sein soll, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) anzuwenden. Dabei werden Embryonen im Reagenzglas erzeugt, auf Erbkrankheiten untersucht und anschließend entsprechend ausgewählt.

FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach eröffnet die fast vierstündige Debatte. Sie will mit ihren rund 220 Unterstützern für, wie sie sagt, „wenige Hundert Fälle im Jahr“ die PID erlauben, um schwere Erberkrankungen bei Embryonen zu vermeiden. Ein Gesetzgeber jedenfalls, der eine Frau quasi zur Abtreibung zwinge, um schwere Erbkrankheiten abzuwenden, werde vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, wirbt Flach.

Wolfgang Zöller (CSU) gehört zur Gruppe der Abgeordneten, die die PID ablehnen, weil sie eine Selektion in Richtung Designerbabys befürchten. „Wünsche sind keine Rechte“, sagt Zöller über den Kinderwunsch. Und: „Es gibt kein Recht auf Kinder.“ PID bedeutet für Zöller Selektion.

Andrea Nahles (SPD) warnte: Wenn künftig eine Mutter ein behindertes Kind zur Welt bringe, dürfe der Vorwurf, „Haben Sie sich denn zuvor nicht genetisch beraten lassen“, nicht zur Standardfrage werden.

René Röspel (SPD) sucht mit seinen Mitstreitern den Mittelweg. Sein Antrag, den auch Bundestagspräsident Norbert Lammert unterstützt, will die PID zwar grundsätzlich verbieten, aber eben in Ausnahmen zulassen. Röspel sagt: „Das PID-Verbot grenzt aus. Es versucht, Leben zu schützen, das nicht geschützt werden kann.“ Sein Antrag ziehe keine Grenzen, „aber wir verwenden Grenzen, die bereits existieren“: ein nicht mehr lebensfähiger Embryo.

Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Befürworterin der PID wandte sich gegen Warnungen vor einem oft beschworenen Dammbruch. „Niemand entscheidet sich leichtfertig für die künstliche Befruchtung und PID.“

Am Ende setzen sich Flach und ihre Mitstreiter durch: Paare dürfen künftig das Erbgut künstlich erzeugter Embryonen testen lassen. Voraussetzung: Bei der genetischen Disposition der Eltern müssen eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt wahrscheinlich sein. Zuvor ist Beratung Pflicht.