Fachkräfte — qualifiziert und arbeitslos
Nicht jeder gut Ausgebildete findet eine Stelle. Zwei Betroffene berichten, wie man bei Personalchefs durchs Raster fällt.
Düsseldorf. Fachkräftemangel? Jens Romba kann darüber nur müde lächeln. „Das ist für mich ein Trick, um möglichst viele Leute ins Studium zu locken, damit die Industrie auswählen kann.“
Der 45-Jährige ist promovierter Chemiker und seit 2004 arbeitslos. Während in seiner Branche immer noch die Rede davon ist, dass Fachkräfte gesucht werden, kassiert er seit Jahren nur Ablehnungen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mahnt an, dass allenfalls in Teilbereichen von einem Fachkräftemangel die Rede sein könne. Dass das Problem nicht frappierend sei, zeige sich schon darin, dass die Gehälter von Fachkräften nicht ansteigen, heißt es in einem Bericht.
Jens Romba hat aus Sicht seiner Branche drei Makel: Der Saarländer ist mit 45 Jahren mittlerweile zu alt, zu lange arbeitslos und — das machte ihm von Anfang an zu schaffen — seine Abschlussnoten sind gut, aber nicht sehr gut. „Die Branche kann es sich leisten, nur Topleute zu nehmen“, sagt der Mann, der zig Jobmessen, Auslandsaufenthalte und zwei Zusatzausbildungen hinter sich hat.
Der Saarländer ist ungebunden, bewirbt sich auch im Ausland. „Aber man hat das Gefühl, dass immer derselbe Wanderzirkus von arbeitslosen Hochqualifizierten unterwegs ist.“
Seine bittere Erfahrung: Wer einmal durchs Raster der Personalchefs gefallen ist, kommt nicht mehr auf die Beine: „Die achten alle auf dieselben Dinge.“ Ihn ärgert, dass jungen Leuten noch immer gesagt wird, dass ein Studium vor Arbeitslosigkeit schützt. „Das stimmt nicht mehr“, sagt er.
Doktortitel, Berufserfahrung und dabei möglichst jung — die Rheinländerin Erika Krämer (Name geändert) weiß, wie zynisch Anforderungsprofile erstellt werden. Die 54-Jährige studierte Völkerkunde, weil dies immer schon ihr Wunsch war — daneben Romanistik und Theologie als Zusatz-Qualifikation.
Nach dem Studium spezialisierte sie sich auf Entwicklungspolitik. „Damals wurde mir gesagt, dass man nur Chancen mit einer sehr guten Promotion und Praxiserfahrung hat.“ Erika Krämer sorgte für beides. Sie arbeitete eineinhalb Jahre lang in Ecuador und promovierte — sie war damals 33 Jahre alt. „Danach hieß es, ich sei überqualifiziert“, erinnert sich Krämer.
Es folgten Praktika und Vertretungsstellen. „Ab 2002 war es ganz vorbei. Die Zahl der bei Arbeitgebern eingehenden Bewerbungen stieg drastisch an. Bei Unicef kommen heute auf jede Ausschreibung mehrere 100 Bewerbungen“, sagt sie. Hinzu kam, dass einige Träger bei Auslandsprojekten aus Kostengründen auf einheimisches Personal setzten oder ihre Teams verjüngen wollten.
Ihrem Fallmanager im Jobcenter muss Krämer pro Monat zehn erfolgte Bewerbungen nachweisen. Er hat bislang keine geeignete Stelle für sie gefunden — mal wurde ihr ein Job angeboten, der Erfahrungen im arabischen Raum voraussetzt, ein anderes mal eine Stelle für einen Kunsthistoriker.
„Ich möchte meine beruflichen Kenntnisse einfach irgendwo sinnvoll einbringen, ich bin nicht mehr anspruchsvoll“, sagt sie. Sie wünscht sich, dass es nicht nur Programme für gering qualifizierte Junge gibt, sondern auch für gut qualifizierte Ältere.
Jens Romba wünscht sich mehr Solidarität untereinander. „Die Betroffenen sollten sich zu ihrer Situation bekennen, um dem Gerede vom Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen“, sagt er.