Gericht sichert Obamas Gesundheitsreform — und die Präsidentschaft?
Richter bestätigen Pflicht zur Krankenversicherung. Staatsoberhaupt punktet im Kampf um die zweite Amtszeit.
Washington. Eine klare Mehrheit der Experten hatte erwartet, dass die hohen Richter zumindest die allgemeine Versicherungspflicht, das Kernstück des im Jahr 2010 verabschiedeten Gesetzes, aufheben würden. 27 US-Staaten hatten gegen „Obamacare“ geklagt und argumentiert, dass die Regierung in Washington sie nicht zwingen könne, ihren Bürgern eine Versicherungspflicht aufzuerlegen.
Anders sahen es fünf der neun Richter. Wie aus dem komplexen Urteilsspruch hervorgeht, betrachten sie jene Strafgebühr, die gegen Unversicherte erhoben werden soll, als Steuer, deren Erlöse in die Kasse des US-Finanzministeriums fließen. Das Recht, neue Steuern zu erheben, dürfe der Kongress der Regierung mit einem Gesetz zuerkennen.
Kern des Reformwerks ist die allgemeine Versicherungspflicht, die 2014 in Kraft treten wird. Wer nicht über den Arbeitgeber abgesichert ist, soll an einer Versicherungsbörse unter verschiedenen Policen auswählen können. Unversicherte müsse eine Strafe zahlen, die für Familien auf mehr als 2000 Dollar pro Jahr steigen wird. Bei Ärmeren will die Regierung die Prämienzahlungen allerdings mit staatlichen Zuschüssen subventionieren.
Ziel von Obamas Gesundheitsreform ist es, 32 Millionen der 47 Millionen Amerikaner, die bislang nicht abgesichert sind, erschwingliche Gesundheitsvorsorge zu ermöglichen. Republikanische Gegner des Gesetzes hatten argumentiert, dass die Versicherungspflicht einen unzulässigen Eingriff in die Privatwirtschaft darstellt und der Staat seine Bürger nicht zwingen könne, Verträge abzuschließen.
Politische Beobachter hatten deswegen erwartet, dass der Gerichtshof „Obamacare“ kippen würde, weil eine Mehrheit der Richter von republikanischen Präsidenten ernannt wurden und in ihren Urteilen bisher zu eher konservativen Urteilen neigten. Zünglein an der Waage war ausgerechnet der oberste Richter John Roberts, der von Präsident George W. Bush ernannt wurde. Für Obama stellt das Grundsatzurteil einen Etappensieg dar, dessen politische Tragweite gut vier Monate vor der Präsidentschaftswahl nicht zu unterschätzen ist.
Nach Wählerumfragen liegt der Präsident mit seinem republikanischer Gegner Mitt Romney in einem schon gelaufenen Rennen. Romney hat von der hohen Arbeitslosigkeit und wachsenden Sorgen um die Konjunktur profitiert. „Dieses Urteil wird Obama und die Demokraten beflügeln“ erklärte Professor Peter Morici von der University of Maryland, „der Sieg im November wird ihm jetzt schwer zu nehmen sein.“