Gesundheitsökonom Fritz Beske: „Es gibt zu viele Krankenhäuser“

Der Gesundheitsökonom Fritz Beske plädiert für mehr Qualität in großen Kliniken und ein zentrales Register für Operationen.

Berlin. Nach einer OECD-Studie werden Patienten in Deutschland sehr viel häufiger operiert als in anderen Staaten. Der renommierte Gesundheitsökonom Fritz Beske, Chef des Kieler Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF), macht das zaghafte politische Vorgehen für diesen Zustand verantwortlich.

Herr Beske, wird in Deutschland unnötig viel operiert? In anderen Ländern könnte es mit der stationären Versorgung ja auch hapern.

Fritz Beske: Da sprechen Sie den Kern der Problematik an. Man kann nicht sagen, welche Zahl an Operationen bei einer bestimmten Krankheit die Norm ist. Im Vordergrund der Kritik stehen Hüft- und Knie-Endoprothesen. Die Statistiken legen auch den Schluss nahe, dass es in einer ganzen Reihe von Ländern eine Unterversorgung gibt. Aber einen Maßstab, an dem man Unter- oder Überversorgung verlässlich messen könnte, gibt es nicht.

Operieren deutsche Kliniken auch aus reiner Finanznot?

Beske: Sicher ist da etwas dran. Die fallbezogene Finanzierung der Krankenhäuser verleitet dazu, im Zweifelsfall zu operieren, anstatt es zu lassen. Denn je mehr Fälle ein Krankenhaus operiert, desto höher sind seine Einnahmen.

Rund die Hälfte aller Kliniken sei schon bald in finanziellen Nöten, prophezeit die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Ein realistisches Szenario?

Beske: Tatsache ist, wir haben zu viele Krankenhäuser und zu viele Krankenhausbetten. Nur Österreich liegt hier noch vor uns. Ich wage die Prognose, dass kleine Krankenhäuser, also Kliniken mit bis zu 200 Betten, auf Dauer keine Zukunft haben. Übrigens könnten die Bundesländer dann auch ihre begrenzten Mittel gezielter für jene Krankenhäuser einsetzen, die wirklich gebraucht werden. Und das sind zweifellos größere Einrichtungen mit mehreren Disziplinen.

Aber gefährdet diese Entwicklung nicht die flächendeckende stationäre Versorgung?

Beske: Nein. Denn vieles kann ambulant aufgefangen werden. Die Entwicklung wird auch dahin gehen, dass Krankenhäuser von leichteren operativen Fällen entlastet werden.

Wie könnte ein sinnvolles Vergütungssystem für die Kliniken aussehen?

Beske: Diesen Stein der Weisen suchen wir alle. Im Grundsatz ist das heutige Finanzierungssystem akzeptiert. Aber wir werden an der Ausgestaltung feilen müssen. Was wirklich fehlt, ist eine durchgehende Qualitätssicherung im Krankenhaus.

Was schlagen Sie vor?

Beske: Ich plädiere für ein Endoprothesen-Register (Implantate wie Hüftgelenke, Anm. d. Red.), das fast überall in Europa schon fest etabliert ist, nur nicht in Deutschland. Dadurch wäre eine Kontrolle über die Qualität des Erfolges einer Operation möglich. So könnte man auch genau feststellen, welche Klinik wann mit welcher Endoprothese richtig operiert hat und bei welchem Krankenhaus eventuell dabei die Infektionen zunehmen. Am Ende führt das dazu, dass in Kliniken über Art und Umfang eines operativen Eingriffs sehr viel sorgfältiger nachgedacht wird als bisher.

Wer soll das durchsetzen?

Beske: Der Gesetzgeber muss den Mut haben, ein solches Register einzuführen. Und wenn ein Krankenhaus dabei nicht mitmacht, bekommt es keine Endoprothesen vergütet. Das könnte man auch für Herzkatheter oder Herzklappen so handhaben. Aber leider ist die Bundesregierung hier sehr zögerlich.