Gewerkschaften wollen Frankreich lahmlegen

Mit dem umfassenden Ausstand soll am Dienstag die Rente mit 62 zu Fall gebracht werden.

Paris. Die Pariser Metrozüge bleiben am Dienstag in den Depots. Viele Kinder könnten vor verschlossenen Schultoren stehen, Fernsehzuschauer müssen mit Wiederholungen rechnen.

Auch Flug- und Bahnreisende von und nach Frankreich sollten Verspätungen und Ausfälle einkalkulieren. Frankreich streikt. In einer landesweiten Protestaktion wollen die Gewerkschaften zwei Millionen Mitglieder mobilisieren. Ihr Ziel: Die ehrgeizige Rentenreform von Präsident Nicolas Sarkozy soll gestoppt werden.

Dessen Vorvorgänger, dem Sozialisten François Mitterrand, haben die Franzosen ein weltweit nahezu einzigartiges Privileg zu verdanken: nämlich sich schon mit 60 in den Ruhestand verabschieden zu dürfen. Doch damit soll bald Schluss sein. Die bürgerliche Regierung will die Franzosen in Zukunft immerhin zwei Jahre länger arbeiten lassen.

Angesichts der gigantischen Löcher in der staatlichen Rentenkasse ist dieses Vorhaben plausibel. 2050, so das Schreckenszenario, könnten 100 Milliarden Euro fehlen. Selbst den notorisch reformunwilligen Franzosen scheint nun zu dämmern, auf welches Fiasko sie zusteuern. Jüngsten Umfragen zufolge befürwortet inzwischen eine knappe Mehrheit die Rente mit 62.

Doch die kampferprobten Gewerkschaften zeigen sich fest entschlossen, das Prestigeprojekt des Präsidenten zu Fall zu bringen. Der landesweite Ausstand der Staatsbeschäftigten soll bis Mittwochmorgen andauern. Schon mehrere Regierungen sind mit ihrem Vorhaben, das Rad zurückzudrehen, am Widerstand auf der Straße gescheitert. Zwar stellt der Elysée-Palast angesichts der Protestwelle nun "ergänzende Vorschläge" in Aussicht, aber in der Kernfrage "Rente ab 62" will man hart bleiben.

Als Nicolas Sarkozy im Frühjahr seinen Budgetminister Eric Woerth an die Spitze des Arbeitsministeriums holte, galt dies noch als clevere Rochade. Der solide Parteisoldat sollte die Rentenreform durchboxen. Doch nun steht Woerth wegen mutmaßlicher Verquickungen in die Bettencourt-Affäre am Pranger, und es ist nicht auszuschließen, dass Woerth bald selbst in Rente geschickt wird.