Kommentar Habecks historische Rede: Wenn jedes Wort richtig ist
Meinung | Wuppertal · Reden dieser Qualität sind selten von Politikern. Vielleicht kam die des Bundeswirtschaftsministers noch rechtzeitig. Sicher ist das leider nicht. Ein Kommentar.
Reden dieser Qualität sind selten von Politikern. Das waren sie immer. Es ist eben nicht an der Tagesordnung, dass Historisches gesprochen wird. Es ist auch nicht immer notwendig. In diesen Tagen ist das anders. Und Bundeswirtschaftminister Robert Habeck hat das offenbar gespürt. Wortwahl und Inhalt seiner Kritik am Judenhass, an einseitiger Israel-Kritik, an Relativierung und Verharmlosung von Terror durch die Hamas lassen erahnen, dass die Sätze schon seit einiger Zeit das Bedürfnis hatten, den Mund des Ministers zu verlassen. Es ist gut, dass sie es geschafft haben. Vielleicht ist es noch rechtzeitig so gekommen. Sicher ist das leider nicht.
Denn jeden Tag erlebt auch Deutschland zunehmend Antisemitismus. Die Zahl der Straftaten ist in der Zeit nach dem 7. Oktober, nach dem Überfall der Hamas-Terroristen auf jüdische Zivilisten um 240 Prozent gestiegen. Die Bluttat hat auch Radikale in Deutschland animiert – islamistische in der Hauptsache, aber auch rechte und linke. Dass Habeck ausdrücklich auf alle Gefahrenquellen für jüdisches Leben in Deutschland hinweist, unterstreicht den Ernst der Lage. Grünen wird gemeinhin nachgesagt, auf dem linken Auge nicht ganz so gut zu sehen. Dass Habeck hier den Gegenbeweis antritt, dürfte nicht nur die jüdische Gemeinde beruhigen. Gegen Antisemitismus vorzugehen, ist eine gesamtpolitische Aufgabe, nicht nur, aber gerade in Deutschland.
Wenn Robert Habecks beeindruckender Auftritt überhaupt eine Frage offen lässt, dann ist es die nach dem Absender. Die Rede als historisch zu bezeichnen, ist keine Übertreibung, keine Verbeugung vor einem sympathischen Vertreter der Spezies Politiker. Es ist verdient. Und weil es verdient ist, weil der Inhalt im positivsten Sinne staatstragend ist, erstaunt, dass der Bundeswirtschaftsminister die Rede hielt. Es wäre eigentlich die Rede gewesen, die viele Deutsche von Olaf Scholz erwartet haben. Dass sein Vize sie hielt, wirft vielleicht auch ein Licht auf die Rolle des Kanzlers in dessen Regierung. Das macht ihren Inhalt aber keinen Deut schlechter.