Hartz IV: Wenn sich ein Mehr an Arbeit nicht mehr lohnt

Der Geschäftsführer eines Wuppertaler Unternehmens schildert, wie ihn der deutsche Sozialstaat ausbremst.

Wuppertal. Lohnt sich Arbeit überhaupt in jedem Fall? Über diese Frage wird im Zuge der Diskussion über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestritten. Dass sich ein Mehr an Arbeit nicht immer bezahlt macht, darauf macht Detlef Books, einer der Geschäftsführer des Wuppertaler Unternehmens Ergo Industrials, aufmerksam.

Dieses bietet mit seinen rund 700 Mitarbeitern anderen Unternehmen Dienstleistungen, zum Beispiel Handwerkerservice oder Instandhaltungen, an. Books kann sich in diesen Tagen zwar darüber freuen, dass es mit den Geschäften bergauf geht. Aber diesem Bedarf mit entsprechender Personalplanung Rechnung zu tragen, schafft Probleme.

Wie sich die Regeln über das sogenannte Aufstocken - Sozialleistungen für erwerbstätige Arbeitslosengeldempfänger - auswirken, schildert Books so: "In unserem Unternehmen war es aufgrund der allgemeinen Wirtschaftssituation bis Ende Januar so, dass einige Mitarbeiter nur zwischen 120 und 130 Stunden im Monat beschäftigt werden konnten. Da diese Mitarbeiter in der Regel Helfertätigkeiten ausführen und somit nur einen eher geringen Stundenlohn bekommen (zwischen 7,50 und 8,50 Euro), wurden Sozialgelder in Anspruch genommen, um den Nettoverdienst "aufzustocken".

Da sich die wirtschaftliche Situation nun verbessert hat, hat Books 17 Mitarbeitern angeboten, mehr Stunden im Monat zu arbeiten, so dass sich der Nettoverdienst für sie um rund 300 Euro erhöhen würde. Das Ergebnis: Keiner hat dieses Angebot angenommen. Grund: Durch diese zusätzlichen - durch Arbeit - erworbenen Löhne komme man über die Verdienstgrenze, die eine "Aufstockung" ermöglicht. Man bekomme den Betrag, den man zusätzlich verdient, vom Amt wieder abgezogen.

Books schildert den Fall eines verheirateten Mitarbeiters, zuständig für Qualitätskontrolle bei einem Paketdienst. Er ist Vater von einem Kind und verdient bei Ergo 9,20 Euro brutto in der Stunde. Im Januar kam er auf 157Stunden und damit auf 1200Euro netto. Die Arbeitsagentur stockte dieses Einkommen auf, gab ihm knapp 400 Euro dazu. Würde der Mann nun seine Arbeitszeit erhöhen, so brächte ihn das finanziell nicht weiter. Ihm würde die Sozialleistung entsprechend gekürzt.

Books sieht für sein Unternehmen nur zwei Auswege: weitere Mitarbeiter einzustellen, die ebenfalls zu "Aufstockern" werden. Oder aber die Arbeiten von geringfügig Beschäftigten auf 400-Euro-Basis erledigen zu lassen. Der Geschäftsführer kann nachvollziehen, dass bei der geltenden Rechtslage seine Mitarbeiter ihre Stundenzahl nicht erhöhen wollen. Auch er will nicht, dass seine Angestellten Einbußen haben, kann sich aber bessere Anreize vorstellen, Vollzeit zu arbeiten. Statt automatisch den Lohn aufzustocken und diejenigen, die nicht Vollzeit arbeiten, mit denen gleichzustellen, die dies tun, sollten von behördlicher Seite lieber im Bedarfsfall Sachleistungen gewährt werden.

Books nennt Beispiele: "Gibt es innerhalb einer Familie Sonderbelastungen, wie zum Beispiel die Anschaffung von Windeln für ein Kleinkind, die Reparatur einer Waschmaschine, die Reparatur für das Auto, welches für den Weg zur Arbeitsstätte benötigt wird, kann ja im Einzelfall durch die Vergabe von Sachleistungen geholfen werden." Das automatische Aufstocken hingegen trage nicht zur Motivation bei, zusätzliche Arbeitsleistung zu erbringen.