Hebammen fürchten um ihre Existenz

Weil Kosten explodieren, droht vielen das berufliche Aus. Die Folgen auch für Mütter seien dramatisch, sagen Geburtshelferinnen.

Düsseldorf. Freischaffende Hebammen fühlen sich in ihrer Existenz gefährdet. Denn ab Juli sollen sie so viel für ihre Haftpflichtversicherung zahlen, dass wohl viele die Geburtshilfe aufgeben müssen.

Angelika Josten, Vorsitzende des NRW-Landesverbandes, schätzt, dass es bundesweit rund 19.000 Hebammen gibt. Mehr als 15.000 davon seien freiberuflich tätig. "Die Versorgung schwangerer Frauen ist bedroht", sagt Josten.

Daher protestieren die Hebammen in zahlreichen Städten. In einer Petition fordert ihr Bundesverband die Regierung auf, sicherzustellen, dass alle Schwangeren in der Nähe ihres Wohnortes von Hebammen betreut werden und dass sie sich aussuchen können, wo sie ihr Kind gebären.

Etwa 80.000 Menschen haben die Aufforderung bereits unterschrieben, sagt Edith Wolber, Pressesprecherin des NRW-Landesverbandes. In den ersten drei Wochen habe man 50.000 Unterschriften gesammelt, was den Petitionsausschuss des Bundestages dazu verpflichte, die Forderungen öffentlich zu diskutieren. Auch Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) habe reagiert. "Er hat ein Treffen mit uns vorverlegt", sagt Wolber.

Hintergrund für die Misere der Hebammen ist laut Josten, dass sie sich mit immer mehr Geld gegen Berufsrisiken versichern müssen. Die Jahresprämie für die Haftpflichtversicherung habe sich seit 1992 von 179 Euro auf 2.370 Euro mehr als verzehnfacht - vom 1. Juli an soll sie nochmal auf 3.698 Euro steigen.

Im Gegensatz dazu seien die Honorare kaum gestiegen. Ab Juli würden sie fast nur dafür ausreichen, die Prämien aufzubringen. Josten wendet sich an die Politik: "Ich erwarte, dass dieses Problem in einem so reichen Land wie Deutschland zu lösen ist."

Vor allem Freiberufler sind von der Kostensteigerung betroffen. Denn in Kliniken angestellte Geburtshelferinnen müssen meist nur einen Teil der Prämien zahlen. "In den vergangenen Jahren wurden aber viele Hebammen in die Freiberuflichkeit gezwungen", sagt Josten. Die Krankenhäuser hätten immer weniger von ihnen fest angestellt.

Laut Josten drohen katastrophale Folgen: Zahlreiche kleine Kliniken müssten schließen. Immer weniger Frauen könnten zu Hause in vertrauter Atmosphäre gebären und müssten immer größere Wege auf sich nehmen, um in eine Klinik zu gelangen.

Dort werde die Versorgung immer schlechter: "Schon jetzt gibt es zu wenig Hebammen." Josten zeichnet das Szenario, dass eine Hebamme gleichzeitig vier bis fünf Geburten betreut. "Wie soll sie das ordentlich machen können, wenn sie dazwischen noch Patienten aufnimmt, Anrufe erledigt und Ähnliches?"

Eine Hebamme (56) aus Wuppertal betont, wie entscheidend das Vertrauensverhältnis zwischen Schwangeren und Hebammen sei. "Es ist nicht der Arzt, der einem bei der Geburt die Hand hält." Sei die Mutter seelisch angespannt, laufe die Geburt vielleicht nicht so gut. Schlimmstenfalls werde sie für Mutter und Kind zur traumatischen Erfahrung: "Letztlich geht es immer auf Kosten der Frauen."