150 Jahre — SPD will Volkspartei bleiben

Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins am 23. Mai 1863 gilt als Geburtsstunde deutscher Sozialdemokratie.

Bonn/Berlin. Bonn ist ein ganz besonderer Erinnerungsort bei einer Zeitreise auf den Spuren der deutschen Sozialdemokratie. In Bonn schmähte der erste Nachkriegsvorsitzende Kurt Schumacher Konrad Adenauer (CDU) als „Kanzler der Alliierten“. Hier wurde Willy Brandt zum Kanzler gewählt. Und nach der Affäre um DDR-Spion Günter Guillaume 1974 zum Rücktritt genötigt. Hier erlebte Helmut Schmidt im Kanzlerbungalow 1977 schwere Stunden, als er das Leben des entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer gegen eine Freilassung von RAF-Terroristen abwägen musste. Und hier feierte Gerhard Schröder 1998 den rot-grünen Wahltriumph.

Angefangen hat aber alles in Leipzig. Die SPD sieht die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ADAV am 23. Mai 1863 als Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie.

Nach Attentatsversuchen auf Kaiser Wilhelm I. — und weil man eine Revolution fürchtete — kam es auf Veranlassung von Reichskanzler Otto von Bismarck 1878 zum Sozialistengesetz gegen „die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Es war de facto ein Parteiverbot.

Nach der Aufhebung 1890 gründete sich als Zusammenschluss aus den Vorläuferorganisationen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) — wichtigster Protagonist war August Bebel. Bebel kritisierte die undemokratischen Zustände im Kaiserreich und bereitete Ende des 19. Jahrhunderts als Vorsitzender den Weg zur Massenpartei vor.

Die SPD wurde nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs trotz aller Anfeindungen von links wie rechts zum Treiber der ersten deutschen Demokratie von Weimar. Altkanzler Helmut Schmidt und auch Sigmar Gabriel sagen heute auf die Frage nach der mutigsten Leistung übereinstimmend, dies sei die Rede von Otto Wels im März 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gewesen. Mit diesem Gesetz wurde die Demokratie zerstört und alle Macht den Nazis übertragen. Nur die SPD stimmte gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. Unvergessen der Ausspruch von Fraktionschef Wels an die Adresse Hitlers: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Nach dem Krieg wandelte sich die SPD allmählich zur linken Volkspartei. Aber erst mit Willy Brandt und dem Wechsel der FDP an die Seite der SPD gelang es ihr, dauerhaft die Politik in der Bundesrepublik zu prägen. Es folgten die neue Ost-Politik und ein gesellschaftlicher Aufbruch.

Wofür steht die Partei heute, in Zeiten nicht mehr existenter fester Milieus? Sie knabbert immer noch am historischen Absturz auf 23 Prozent 2009. Im Jubiläumsjahr will die älteste deutsche Partei zeigen, dass sie noch Volkspartei ist.