Acht Tote durch Polizeikugeln in Deutschland 2010
Stuttgart (dpa) - Polizisten in Deutschland haben im vergangenen Jahr mit Schüssen aus ihren Dienstwaffen 8 Menschen getötet und 23 verletzt.
Das geht aus einer Statistik der Innenministerkonferenz hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Insgesamt schossen Polizisten aber weniger oft gezielt auf Menschen als in den vergangenen Jahren. „Kein Polizeibeamter greift gerne zur Schusswaffe und setzt sie daher nur im äußersten Notfall ein“, sagte der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Bernhard Witthaut, am Mittwoch.
Insgesamt feuerten die Beamten in 37 Fällen gezielt auf jemanden - nicht immer trafen die Kugeln. Außerdem gaben sie 59 Mal Warnschüsse ab. Rein rechnerisch haben damit die Polizisten hierzulande 2010 jeden zehnten Tag gezielt auf einen Menschen geschossen.
Im langjährigen Vergleich ist das eher wenig - denn im Schnitt der Statistiken seit 1998 gab es fast jede Woche einen Fall gezielter Polizeischüsse. Die 37 Ernstfälle aus dem vergangenen Jahr gehören zu den niedrigsten Zahlen seit 13 Jahren. Auch die 59 Fälle von Warnschüssen sind fast ein neuer Niedrigrekord: Nur 2009 (51) und 2006 (57) gab es weniger.
Gewerkschaftschef Witthaut sagte, dass sich die Schießausbildung „auf einem sehr hohen Niveau“ befinde und gerade damit zu niedrigen Fallzahlen beitrage - weil die Beamten nämlich vorrangig lernten, nicht zu schießen. „Bei gewalttätigen Übergriffen nehmen viele Kolleginnen und Kollegen eher eigene Verletzungen in Kauf, als den Angreifer schwer zu verletzen oder zu töten.“
Sein Kollege von der kleineren Polizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt, meinte, der Trend in den Statistiken sei „absolut positiv“. „Das ist eine langjährige Entwicklung, die aber leider nicht das Ergebnis von weniger Gewalt gegen Polizisten ist.“
Wendt verwies auf eine Erhebung aus Nordrhein-Westfalen für 2010, wonach 84 Prozent der Übergriffe auf Polizisten in ganz alltäglichen Situationen im Einsatz erfolgten - wie etwa bei Ruhestörungen oder einem Notruf wegen häuslicher Gewalt. Nur rund 15 Prozent entfielen auf Großveranstaltungen wie etwa Demonstrationen oder Fußballspiele. „Von unseren Leuten wird eine Menge verlangt“, sagte Wendt.
Wie in den Vorjahren auch war nach der Statistik vor allem Notwehr der Grund für die Schüsse auf Menschen. 26 von den 37 Fällen werden so erklärt. Auf das Konto der Notwehr gehen auch sieben der acht Toten.
In drei Fällen feuerten Beamte, um ein schweres Verbrechen zu verhindern. Achtmal schossen sie gezielt, um die Flucht von Verdächtigen zu vereiteln. Dabei starb ein Mensch. Wo es 2010 zu den einzelnen Fällen kam, sagt die Statistik nicht.
Zwischen 1998 und 2010 haben Polizeikugeln insgesamt 95 Menschen getötet. Umstrittene Fälle wie etwa der Tod des vermutlich psychisch kranken Regensburger Studenten Tennessee Eisenberg sorgten dabei für große Aufmerksamkeit. Polizisten hatten 2009 insgesamt 16-mal auf den 24 Jahre alten Musikstudenten geschossen und zwölfmal getroffen.
Seltener im Fokus der Öffentlichkeit stehen die Folgen für die Beamten. Der Polizist Oliver Tschirner hat 2009 in einer Masterarbeit an der Hochschule der Deutschen Polizei in Münster Polizisten befragt, die im Dienst einen Menschen getötet haben.
Eines seiner Ergebnisse: Viele Polizisten sind nach einer solchen Tat ein Leben lang traumatisiert. Nur ein Drittel kehre bald in den Dienst zurück.