FDP-Konflikt um Koalitionskurs
Berlin (dpa) - Die um Profil kämpfende FDP steuert in der Debatte über den Euro-Rettungskurs auf einen massiven internen Konflikt zu.
Wenige Tage vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus eskalierte am Mittwoch der Streit zwischen der FDP-Spitze und den liberalen „Euro-Rebellen“ im Bundestag und in Landesverbänden.
Die Euro-Skeptiker wollen per Mitgliederentscheid die Einführung des permanenten europäischen Rettungsschirms ESM ab Mitte 2013 verhindern. Sie können mit der für einen Entscheid erforderlichen Mehrheit rechnen. Die FDP-Spitze um Parteichef Philipp Rösler steuert dagegen und will mit einem eigenen Antrag den Mitgliederentscheid entschärfen.
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war am Mittwoch bemüht, den von Rösler ausgelösten öffentlichen Euro-Disput der Regierung zu entschärfen. Nach Darstellung von Regierungssprecher Steffen Seibert ist sich das Kabinett einig über Wege und Ziele zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität der Euro-Zone. Spekulationen über einen Bruch der Koalition wies Seibert nach einer Kabinettssitzung zurück.
Auf die Frage, ob es Anlass gebe, über ein Ende der Koalition nachzudenken, antwortete der Sprecher mit „Nein“. Seibert machte deutlich, dass die Kanzlerin in der Debatte über das weitere Vorgehen in der Euro-Schuldenkrise konstruktive Beiträge erwartet. „Das, was eine Regierung sagt, muss immer ein Teil der Lösung eines Problems sein.“
Auf die Frage, ob Merkel und ihr Vizekanzler Rösler an einem Strang ziehen, sagte Seibert, mit dieser Deutung liege man schon ganz gut. Rösler hatte eine Staatspleite Griechenlands ins Gespräch gebracht. Er hält eine geordnete Insolvenz für denkbar, sollte es Instrumente geben. Merkel hatte daraufhin Zurückhaltung bei Äußerungen zur Schuldenkrise angemahnt.
In der FDP-Spitze wird davon ausgegangen, dass die „Euro-Rebellen“ um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler die erforderliche Mehrheit für einen Mitgliederentscheid zusammenbekommt. Offiziell hat bisher nur der FDP-Landesverband Bremen einen Antrag gestellt. Mehrere andere Verbände unterstützen das Vorhaben aber ebenfalls - darunter auch Berlin, wo am Sonntag gewählt wird und wo die FDP vor dem Aus steht.
Der FDP-Entscheid könnte etwa bis Anfang Dezember abgeschlossen sein, also rechtzeitig vor der Abstimmung des Bundestages über den ESM. Um einen Mitgliederentscheid zu erzwingen, reichen nach der FDP-Satzung etwa 3300 Unterschriften oder Anträge von fünf Landesverbänden. Schäffler hat etwa 1000 Stimmen zusammen. Nach einer dpa-Umfrage wird sich wohl auch der FDP-Vorstand in Schleswig- Holstein für den Entscheid aussprechen. In Hessen steht die FDP hinter dem Gegenantrag der Parteispitze, in Bayern wird nicht formell abgestimmt, in Hamburg hat man sich damit noch nicht befasst.
Die FDP-Spitze will den Bedenken in den eigenen Reihen auch mit einer Reihe von Regionalkonferenzen begegnen, wie Generalsekretär Christian Lindner in einem Brief an Funktions- und Mandatsträger der Partei ankündigte. Die Europapolitik werde zudem zu den Schwerpunkten des Parteitags am 12. und 13. November gehören.
Nach Rösler hat sich innerhalb der Bundesregierung auch Verkehrsminister Peter Ramsauer vom europapolitischen Kurs von Kanzlerin Angela Merkel distanziert. Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro sei „kein Weltuntergang“, sagte der CSU-Vize der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die CSU hatte zuvor für einen Ausschluss von Schuldensündern plädiert. Eine geordnete Insolvenz oder ein Ausschluss ist nach den jetzigen Rechtsmöglichkeiten nicht machbar.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht das schwarz-gelbe Regierungsbündnis nicht gefährdet. Zu Medienberichten, in der CDU werde bereits über eine Koalition mit der SPD nachgedacht, sagte sie: „Ich habe keine Anzeichen dafür.“
Die SPD legte in der Wählergunst weiter zu. Im wöchentlichen „Stern“-RTL-Wahltrend kletterten die Sozialdemokraten um 2 Punkte auf 29 Prozent. Die Union musste einen Punkt abgeben und fiel auf 31 Prozent zurück. Die Werte der anderen Parteien blieben stabil: Die Grünen verharren bei 19 Prozent, die Linke bei 9 Prozent, die FDP würde mit 4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.