Alle Bürger sollen SPD-Kanzlerkandidat mitwählen

Berlin (dpa) - Die schwächelnde SPD will wieder attraktiver werden: Bei wichtigen Personalentscheidungen soll es künftig Urwahlen geben. Gegen die geplante Parteireform formiert sich aber schon Unmut an der Basis gegen den Plan, auch Nichtmitgliedern Stimmrecht in Personalfragen geben.

Der Kanzlerkandidat sowie Bewerber für den Bundestag und für Landtage sollen künftig in der Regel in Urwahlen bestimmt werden, die für alle Bürger offen sind. Das kündigte Generalsekretärin Andrea Nahles in der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag) an. In mehreren Landesverbänden formiert sich Widerstand.

Wahlen für Parteiämter, etwa die der Vorsitzenden, sollen aber weiter nur Mitgliedern vorbehalten bleiben. „Wir wollen die Beteiligung von Nicht-Mitgliedern, aber sie muss Grenzen haben“, sagte Nahles.

Über einen entsprechenden Vorschlag für eine von SPD-Chef Sigmar Gabriel angestoßene Organisationsreform will am Montag der SPD-Vorstand beraten. Am Wochenende wollen die Bezirksvorsitzenden darüber sprechen. Davon erhofft sich die Führung auch, den starken Mitgliederschwund stoppen zu können.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung auf dem Parteitag im Dezember in Berlin wird jedoch noch mit heftigen Debatten gerechnet. Bei vielen Mandatsträgern formiert sich schon Widerstand. So will die hessische SPD den Vorstoß nicht mittragen. Dies sei „der falsche Weg“, sagte Generalsekretär Michael Roth dem Berliner „Tagesspiegel“ (Mittwoch). Der Kieler Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels warnte in der „taz“ vor einer Entwertung der Parteimitgliedschaft. „Ich bezweifle, dass das mit einer Direktwahl des Kanzlerkandidaten funktionieren kann“, erklärte der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt in der „Leipziger Volkszeitung“. Nahles, die die Vorschläge erarbeitet hat, zeigte sich kampfbereit: Sie habe „die Rüstung schon angelegt“.

Vorgesehen sind weitere Neuerungen. So wolle man dem Wunsch der Basis nachkommen, auch über Sachentscheidungen abzustimmen, sagte Nahles. Vorstellbar sei etwa ein Votum über die Frage, ob die Mitglieder kostenloser Kinderbetreuung oder Kindergelderhöhungen den Vorzug gäben. Das könne die Parteiarbeit beflügeln.

Gabriel hatte im letzten August angeregt, den nächsten Kanzlerkandidaten auch mit Hilfe von Nicht-Mitgliedern über eine Vorwahl zu bestimmen. Er hatte dabei auf ähnliche Modelle bei den französischen Sozialisten und in den USA verwiesen. In der Partei stieß dieser Vorschlag damals auf viel Zurückhaltung. Bislang bestimmt ein Bundesparteitag den SPD-Spitzenbewerber, der in der Regel zuvor auf Vorschlag des Parteichefs vom SPD-Vorstand nominiert wird.

Laut SPD-Satzung sind jetzt schon Mitgliederbefragungen etwa über den Parteivorsitzenden möglich. Davon wurde bislang nur einmal Gebrauch gemacht. 1993 setzte sich Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder und Heidi Wieczorek-Zeul bei der Entscheidung über die Nachfolge des zurückgetretenen Björn Engholm durch.