Analyse: Heikle Gratwanderung bei der Sterbehilfe
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sorgt für kontroverse Diskussionen.
Berlin. Seit Monaten wird im Bundesjustizministerium an einem Gesetzentwurf gearbeitet, mit dem gewerbsmäßiger Sterbehilfe ein Riegel vorgeschoben werden soll. Ein überarbeiteter Entwurf sorgt nun für Aufregung.
Der Entwurf sieht für gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Allerdings soll es Ausnahmen geben: Wenn die Sterbehilfe im engsten Familienkreis oder aus Mitleid von „nahestehenden Personen“ geleistet wird. „Die Regelung berücksichtigt, dass kein Strafbedürfnis gegenüber Personen besteht, die ihren Angehörigen oder anderen engen Bezugspersonen in einer in der Regel emotional sehr belastenden und schwierigen Ausnahmesituation beistehen wollen“, heißt es. Und: „Auch Ärzte oder Pflegekräfte können darunter fallen.“
Die Koalitionsspitzen hatten sich Anfang März darauf verständigt, den Entwurf schnell auf den Weg zu bringen. Vereinbart worden war das Vorhaben schon im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Ein Leitmotiv war, kommerziellen Sterbehilfevereinen wie dem des ehemaligen Hamburger Innensenators Roger Kusch das Handwerk zu legen.
Die Überlegungen des Bundesjustizministeriums haben den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, auf die Palme gebracht: „Erst soll die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden, und dann will das Justizministerium die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen.“ Das sei „ein Stück aus dem Tollhaus. Als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung.“
Für den Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, soll mit dem Entwurf „der assistierte Suizid in Deutschland salonfähig gemacht werden“. Auch sei damit Überzeugungstätern, die ihr Suizidangebot unentgeltlich anbieten, so nicht beizukommen sein. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, mahnte, es dürften „keine Hintertüren geöffnet werden“.
Möglicherweise. Anders als sonst im Strafrecht soll nur der Täter belangt werden, die Helfer kommen ohne Strafe davon. Experten sehen zudem einen Fallstrick im unbestimmten Rechtsbegriff der „nahestehenden Personen“, mit dem der straffrei bleibende Personenkreis definiert — und ausgeweitet — wird: Darunter könne jeder, auch jeder Richter, etwas anderes verstehen, warnen Kritiker.