Analyse: Schleswig-Holstein rückt ins Zentrum der Politik
Im Mai steht im Norden der einzige Urnengang im Jahr vor der Bundestagswahl an.
Kiel. 2011 geriet der CDU-Mann Christian von Boetticher wegen einer Teenager-Affäre als einzelner Politiker aus dem Norden in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit. 2012 rückt das bundesweit oft außer Acht gelassene Schleswig-Holstein als Ganzes in den Blickpunkt. Am 6. Mai wird der Landtag gewählt. Wegen eines Verfassungsgerichtsurteils muss nach zuletzt 2009 schon wieder gewählt werden. Das Gericht hatte nach einem Streit über Ausgleichsmandate das Wahlgesetz als nicht verfassungskonform eingestuft.
Weil es im Jahr vor der Bundestagswahl der einzige Urnengang ist, konzentrieren sich alle Parteien ganz besonders auf das Land zwischen den Meeren. Der bisherigen Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig (48) könnte mit Rot-Grün am Ende als Nachfolger des scheidenden CDU-Regierungschefs Peter Harry Carstensen (64) das Rennen machen. Auch Schwarz-Grün mit dem neuen CDU-Vormann Jost de Jager (46) hätte nach derzeitigem Stand Chancen. Die selbstbewussten Grünen mit Spitzenmann Robert Habeck (42) stehen der SPD näher, legen sich aber nicht fest.
Dass es in Kiel bei Schwarz-Gelb bleiben könnte, glauben angesichts der FDP-Krise nur wenige. Eine Bleiweste und Betonfüße habe die Bundespartei der Nord-FDP zum Wahlkampf verpasst, so Fraktionschef Wolfgang Kubicki nach dem Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner. Sollte die FDP nicht das rettende Fünf-Prozent-Ufer erreichen, wäre wohl auch das Schicksal von Parteichef Philipp Rösler besiegelt. Bei drei Prozent krebst die Partei derzeit im Norden herum.
Zwischen CDU und SPD zeichnet sich ein harter Kampf um Platz eins ab. Um 31 bis 33 Prozent schwanken die Umfragewerte für beide. Albig, der sich in einem SPD-Mitgliederentscheid klar gegen Landespartei- und Fraktionschef Ralf Stegner durchsetzte, hat sich auf die Grünen als Partner festgelegt.
CDU-Spitzenkandidat de Jager, seit Boettichers Sturz über die Beziehung zu einer Minderjährigen am Ruder, wünscht zwar der FDP Erfolg. „Wir werden aber ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen und für unsere eigene Stärke werben.“ Wie schon vor der Wahl 2009 sieht die CDU auch in den Grünen einen potenziellen Partner.
Bei der Aussicht auf mindestens 15 Prozent könnten die Grünen den Partner dann womöglich wählen. Während die Chancen auf Rückkehr ins Parlament für die Linken mau aussehen, ist die Piratenpartei die große Unbekannte. Wären Umfragen Wahlen, könnte sie es schaffen. Die Piraten kommen extra eine Woche vor der Wahl zum Bundesparteitag nach Neumünster. Keine Sorgen hat der Südschleswigsche Wählerverband (SSW): Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit ist von der Fünf-Prozent-Klausel befreit.