Prozessbeginn in Berlin Angeklagter gesteht Angriff auf Kippa tragenden Israeli
Berlin (dpa) - Zwei Monate nach dem Angriff auf einen Kippa tragenden Israeli in Berlin hat ein 19-jähriger Syrer gestanden, mit einem Hosengürtel mehrmals zugeschlagen zu haben. Er bereue die Tat, sagte der Angeklagte zu Prozessbeginn vor dem Amtsgericht Tiergarten.
„Es tut mir sehr leid, es war ein Fehler von mir“, fügte er im voll besetzten Saal des Kriminalgerichts hinzu. Zugleich betonte er mehrmals, er habe sich im Recht gefühlt. Er sei zuerst beschimpft und beleidigt worden. Zudem habe er Drogen genommen. Der junge Israeli sagte aus, er habe mit dem Angreifer kein Wort gewechselt.
Das Interesse an dem Prozess war riesig, internationale Medienvertreter reisten an, auch die Jüdische Gemeinde verfolgte die Verhandlung direkt. Anders als erwartet, wird der Prozess weitergehen: Am Montag ist eine weitere Verhandlung geplant - ursprünglich war nur ein Prozesstag vorgesehen.
Dem Syrer, der seit 2015 in Deutschland ist, werden gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Er soll den Israeli und dessen Freund, einen Deutsch-Marokkaner, antisemitisch beschimpft haben, als sie am 17. April im Stadtteil Prenzlauer Berg unterwegs waren und auf drei Männer trafen, darunter der Syrer.
Der angegriffene Israeli ist seit drei Jahren in Deutschland und tritt zugleich als Nebenkläger im Prozess auf. Er sagte, er fühle sich bis heute unsicher. „Ich würde die Kippa nicht wieder aufsetzen, wenn ich allein bin“, sagte der 21-Jährige Adam A. als Zeuge vor Gericht. Er trage das Geschenk eines Freundes aus Israel nur noch bei Freunden oder in einer Gruppe, schilderte der Student der Tiermedizin. Als er in die Hauptstadt kam, sei er überzeugt gewesen, dass Berlin sicher sei. „Es war nicht der Fall.“ Der 21-Jährige erlitt laut Anklage Schmerzen an Bauch und Beinen, eine Lippe platzte auf.
Der Fall schlug hohe Wellen, nachdem Adam A. den mit dem Handy gefilmten Angriff ins Internet gestellt hatte. Zu sehen ist, wie ein Mann wütend und hasserfüllt mit einem Gürtel auf den Filmenden einschlägt und auf arabisch „Jude“ ruft.
Danach gab es in mehreren deutschen Städten Solidaritätskundgebungen. Viele Menschen trugen die traditionelle Kopfbedeckung jüdischer Männer, die kleine runde Stoffkappe. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich betroffen. Außenminister Heiko Maaß (SPD) erklärte, niemals dürfe zugelassen werden, dass Antisemitismus in Deutschland wieder alltäglich werde. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, warnte davor, Judenhass in Deutschland kleinzureden.
Das Video wurde auch im Gericht gezeigt. Zu Beginn ist auf Arabisch der Angeklagte zu hören, der fragt: „Warum beleidigst Du uns?“. Der Israeli sagte dazu, damals habe er den Satz nicht wahrgenommen. Er habe mit dem Angreifer kein Wort gewechselt. Für ihn habe es bei der Polizei keine andere Erklärung gegeben als den Zusammenhang mit der Kippa.
Der Angeklagte, ein schmächtiger junger Mann in Jeans, der aus der Untersuchungshaft in den Saal geführt wurde, versuchte seine Erklärung erst in Deutsch, was aber nicht gänzlich zu verstehen war. Eine Dolmetscherin sprang ein. „Ich bin keiner, der gegen Juden ist“, beteuerte der Flüchtling.
Auf etliche Fragen des Richters antwortete er nicht konkret. Zugleich betonte er aber, er habe dem Fremden nur Angst machen wollen. „Ich hab gekifft, ich war auf Drogen,... mein Kopf war müde.“ Er habe nicht mit der Gürtelschnalle geschlagen und nur einige Male getroffen. Zu Adam A. sagte der Angeklagte dann: „Ich möchte mich entschuldigen, allein deshalb, weil ich dich geschlagen habe, nur dafür.“
Die Anklage geht davon aus, dass der junge Israeli Adam A. von der Gürtelschnalle getroffen wurde. „Ich bin mehr als zehn Mal getroffen worden mit der Schnalle“, sagte Adam A. im Zeugenstand. „Seelisch war es schlimmer als körperlich“, sagte der Student. Er sei nicht jüdisch, aber unter Juden aufgewachsen.
Verteidigerin Ria Halbritter sagte am Rande, ihr Mandant sei kein Antisemit. Sie sprach von einer „situationsgeprägten Spontanhandlung“. Der Israeli und sein Freund hätten sich von Beleidigungen angesprochen gefühlt, die sich nicht auf sie bezogen hätten. Das Wort Jude sei für ihren Mandanten nicht antisemitisch.
Mike Samuel Delberg von der Jüdischen Gemeinde kam mit Kippa ins Gericht. „Das Positive an dem negativen Fall ist, dass es nicht unter den Teppich gekehrt wird“, sagte er. Er erwarte ein Urteil, das Zeichen gegen den Antisemitismus setze.