Armut ist in großen Städten zu Hause
In Dortmund, Leipzig und Duisburg ist laut Statistik mehr als jeder vierte Einwohner betroffen.
Wiesbaden. In den Bundesländern Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sind am meisten Menschen von Armut bedroht. Ein Blick auf die Großstädte der Republik offenbart aber einen deutlichen Anstieg in NRW: Dortmund hat Leipzig überholt und führt die Liste der 15 größten Städte mit dem höchsten Armutsrisiko an.
Mehr als jeder Vierte ist dort laut Statistischem Bundesamt von Armut bedroht. In 12 der 15 größten Städte hat die relative Armut von 2005 bis 2012 zugenommen — am stärksten in den vier NRW-Kommunen Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln.
Armut in Deutschland beginnt bei einem Monatseinkommen von 869 Euro netto für Singles und 1826 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Die Statistiker sprechen von relativer Armut, Armutsgefährdung und -risiko, weil sich die Grenze am mittleren Einkommen orientiert.
„Das Ruhrgebiet hat mehrere Wellen der De-Industrialisierung hinter sich“, begründet Gesundheits- und Armutsforscher Rolf Rosenbrock, der auch Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrt-Gesamtverbands ist, den Trend. „Trotz der Ansiedlungen neuer Technologien ist die Masse der weniger qualifizierten Menschen nicht erreicht worden.“
„Das Wohlstandsgefälle zwischen den Großstädten wird zudem durch die Armutszuwanderung potenziert“, sagt Armutsforscher Stefan Sell von der Fachhochschule Koblenz. Viele arme Zuwanderer gingen in arme Städte, weil dort der Wohnraum preiswerter sei. „Die Kommunen sind immer die letzten Hunde an der Kette und schlichtweg überfordert mit dem Problem.“
Unabhängig von der Region sind vor allem Alleinerziehende, Kinder und Alte von Armut betroffen. Alleinerziehende mit Kindern hätten seit Jahren das höchste Risiko, sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbands alleinerziehender Mütter und Väter, Miriam Hoheisel. „Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, kein privates Schicksal, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Benachteiligung.“