Mehr als 1000 Fälle Asyl zu Unrecht gewährt: Korruptionsskandal beim BAMF
Bremen/Nürnberg (dpa) - Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine ehemalige Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wegen unzulässiger Asylgewährung in mindestens 1200 Fällen.
Die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle der Behörde soll im Zeitraum von 2013 bis 2016 zu Unrecht Asylanträge positiv entschieden haben, wie eine Sprecherin der Bremer Staatsanwaltschaft am Freitag bestätigte. Das Bundesamt selbst stellte Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die suspendierte Beamtin und fünf weitere Beschuldigte wegen Bestechlichkeit und „bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“. Aus welchem Motiv die Ex-Außenstellenleiterin handelte, ist unklar.
Der Fall wurde durch Recherchen von NDR, Radio Bremen und „Süddeutscher Zeitung“ publik. Das Recherchenetzwerk spricht sogar von rund 2000 Fällen. Unter anderem seien in Bremen entgegen den Vorgaben Antragsteller nicht oder nur unzureichend erkennungsdienstlich behandelt worden.
In den überwiegenden Fällen ging es um Jesiden, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Die Herkünftsländer müssten allerdings noch aufgeschlüsselt werden und seien Gegenstand der Ermittlungen. Die drei Medien berichteten, dass sich bei den Antragstellern zu großen Teilen um kurdisch-sprachige Menschen gehandelt habe, die angaben, Jesiden zu sein.
Die religiöse Minderheit der Jesiden stammt aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Sommer 2014 große Gebiete im Nordirak überrannte, waren Zehntausende Jesiden vor den Gräueln der Extremisten geflohen.
Für die Ermittler steht fest, dass die Mitarbeiterin im Zeitraum von 2013 bis 2016 Asyl gewährte, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen drei Rechtsanwälte einen Dolmetscher und einen Mann, der zwischen den Parteien vermittelt haben soll.
Nach Informationen des „Weser-Kuriers“, brachten die Beschuldigten teilweise mit eigens angemieteten Bussen Kurden aus Syrien und dem Irak von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nach Bremen und sorgten dort für eine bevorzugte Bearbeitung von rund 2000 Anträgen. Eigentlich wäre die Bremer Außenstelle nur für 98 Anträge zuständig gewesen.
Die Ermittlungen liefen seit Monaten. Am Mittwoch und Donnerstag seien acht Objekte in Bremen und Niedersachsen durchsucht worden - darunter mehrere Kanzleien. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurden Unterlagen sichergestellt, die nun ausgewertet werden.
Ob die Behördenmitarbeiterin Geld nahm für die positiven Asylbescheide oder ob sie aus anderen Motiven handelte - alles Spekulation. Es gab wohl „private Einladungen“ etwa in Restaurants, wie NDR, Radio Bremen und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten. „Es soll zur Gewährung von Vorteilen gekommen sein - wie genau, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, so die Sprecherin der Bremer Staatsanwaltschaft, Claudia Kück, auf Anfrage.
Das BAMF in Nürnberg bestätigte die Ermittlungen gegen die Frau wegen Verleitung zum Asylmissbrauch. „Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls wurde durch das Bundesamt Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt“, hieß es in einem Statement. Es handele sich um eine Beamtin, die von den Dienstgeschäften entbunden sei. „Zugleich wurde veranlasst, dass Regel-/Widerrufsprüfungen durchgeführt werden.“
Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagfraktion, Ulla Jelpke, betonte, dass Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern Bremen seit Jahren durch überdurchschnittlich hohe Anerkennungsquoten auffalle. Sie vermutete, dass das all jenen misfalle, die einen restriktiven Kurs in der Asylpolitik durchsetzen wollten. „Ich befürchte, dass hier eine unliebsame Mitarbeiterin des BAMF an den Pranger gestellt werden soll, die nicht bereit war, diese Politik mitzutragen.“
Das Bundesinnenministerium sicherte eine rasche Kontrolle der Asyl-Entscheidungen zu. „Die in der BAMF-Außenstelle ergangenen Anerkennungsbescheide werden nun schnellstmöglich überprüft und gegebenenfalls zurückgenommen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag).
Der Staatssekretär erklärte, das BAMF praktiziere bereits ein Vier-Augenprinzip in der Außenstelle und Stichprobenkontrollen durch die Zentrale. Ein weiterer Ausbau dieser Qualitätsoffensive sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden: „Es gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“