Asylbewerber-Zahl steigt im Juli auf Rekordhoch
München/Berlin (dpa) - Im Juli sind so viele Asylbewerber nach Deutschland gelangt wie noch nie zuvor in einem Monat.
Derzeit kämen sehr viele Asylbewerber aus den Kriegs- und Krisenregionen in Syrien, im Irak und in Afghanistan, sagte der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt. Er sprach von einem „Allzeitrekord“.
Mit 79 000 Menschen habe es im Juli „den höchsten Zugang aller Zeiten“ gegeben, betonte auch Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Ende August will das Bundesamt seine Prognose für 2015 aktualisieren. Bisher rechnet Schmidt in diesem Jahr mit 450 000 Asylbewerbern.
Erste Priorität für den BAMF-Chef hat die beschleunigte „Rückführung“ von Aylbewerbern aus Südosteuropa, möglichst innerhalb von vier bis sechs Wochen nach der Ankunft. „Wir werden uns im ersten Schritt auf Albanien konzentrieren.“ Innerhalb weniger Wochen habe es „über 30 000 Zugänge allein aus Albanien mit einer Schutzquote von nur 0,1 Prozent“ gegeben. Momentan seien 209 000 Asylanträge in Bearbeitung, sagte Schmidt. Davon seien 94 000 vom Balkan und 40 000 aus Syrien.
Nach Einschätzung des Migrationsforschers Dietrich Thränhardt sind ineffiziente Strukturen im deutschen Asylsystem der Grund für den enormen Stau bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Das BAMF schiebe eine immense Bugwelle unerledigter Anträge vor sich her, sagte Thränhardt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Im europäischen Vergleich liege Deutschland hier weit an der Spitze, und eine Besserung sei nicht in Sicht. Neben einem Mangel an „Entscheidern“ in der Behörde sieht Thränhardt vor allem den großen Verwaltungsaufwand für sogenannte Widerrufsprüfungen und „Dublin“-Fälle als Ursache.
Im ersten Halbjahr stellten fast 180 000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland. Die Zahl der unbearbeiteten Anträge war Ende Juni doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. „In der Bundesrepublik gibt es so viele unerledigte Anträge wie in allen anderen EU-Ländern zusammen“, sagte Thränhardt. Der Berg wachse seit 2008 ununterbrochen an. Das Problem habe seinen Ursprung also vor dem rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen.
In einem Gutachten für die Informationsplattform Mediendienst Integration schreibt der Wissenschaftler, sehr viel Aufwand für das Bundesamt verursachten bisher die Widerrufs-Prüfverfahren: Hat ein Asylantrag Erfolg, bekommen die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu drei Jahre. Danach muss das Bundesamt überprüfen und entscheiden, ob der Asylstatus erhalten bleibt - oder eben widerrufen wird.
Dieses Vorgehen gebe es nur in Deutschland, sagte Thränhardt. Der Nutzen sei jedoch fraglich, weil es nur in den wenigsten Fällen zum Widerruf des Flüchtlingsstatus komme. Im Vorjahr habe die Behörde rund 16 000 solche Verfahren eingeleitet, von denen weniger als 5 Prozent zum Widerruf geführt hätten.
Durch eine Gesetzesänderung zum 1. August soll sich die Zahl dieser Einzelfallprüfungen laut BAMF deutlich verringern. Schmidt nannte die Neuerung eine wesentliche Entlastung.
Eine andere Belastung für die Behörde sind laut Thränhardt aber auch die sogenannten Dublin-Fälle. Viele Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sind über einen anderen EU-Staat nach Europa eingereist und müssen laut Dublin-Verordnung eigentlich dorthin zurück.
Im vergangenen Jahr traf das auf etwa jeden fünften Asyl-Erstantrag zu. Nur in 14 Prozent der Fälle wurden Asylbewerber aber tatsächlich in ein anderes Land überstellt. Zum Teil gehen andere Staaten schlicht nicht auf solche „Übernahmeersuchen“ ein.
Angesichts der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Deutschland warnt der Verfassungsschutz vor rechtsextremistischen Anschlägen. „Die Lage hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt“, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen dem Magazin „Focus“. „Wir schließen nicht mehr aus, dass Rechtsextremisten gezielt Anschläge auf bewohnte Flüchtlingsunterkünfte verüben, bei denen es auch zu Opfern kommen könnte.“ Die mehr als 200 Straftaten gegen Flüchtlingsheime allein im ersten Halbjahr zeigten, wie sehr sich die fremdenfeindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung aufgeheizt habe.