Atomausstieg: SPD-Länder pochen auf Beteiligung
Berlin (dpa) - Die Koalition hat sich auf einen Atomausstieg bis 2022 festgelegt. Nun soll die Opposition mit ins Boot. Doch SPD und Grüne sind kritisch. Auch SPD-Länder wollen beteiligt werden. Und die Stromwirtschaft erwägt Klagen gegen die Brennelementesteuer.
„Wir wollen eine unumkehrbare Ausstiegsvereinbarung auf einer klaren gesetzlichen Grundlage“, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Es müsse einen bindenden Plan für den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien geben. „Außerdem erwarte ich, dass die Bundesregierung dieses Mal die Länder ordentlich beteiligt“, sagte Beck dem „Handelsblatt“ (Dienstag).
Der Energiekonzern Eon bereitet nach Informationen der Zeitung eine Klage gegen die Brennelementesteuer vor. Die Koalition hält trotz des schrittweisen Ausstiegs aus der Atomenergie an der Abgabe fest. Sie wird mit der Beteiligung der Stromkonzerne an den Kosten der Sanierung des maroden Atommüll-Lagers Asse begründet.
Widerstand gibt es auch gegen die Pläne der Bundesregierung beim Netzausbau. Das schwarz-gelb regierte Niedersachsen lehnt eine zentrale Planung neuer Trassen für Hochspannungsleitungen durch die Bundesnetzagentur ab.
Für diesen Freitag hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bundesländer zu einem Energiegipfel geladen, um für Unterstützung der Beschlüsse von Union und FDP zu werben. In SPD-geführten Ländern stößt vor allem das Vorhaben auf Kritik, einen der stillgelegten Meiler bis 2013 als „Kaltreserve“ für mögliche Engpässe bereit zu halten.
Union und FDP hatten den Ausstieg aus der Atomkraft bis spätestens 2022 beschlossen. Der Großteil der Atommeiler soll bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, könnten die letzten drei Meiler erst zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Das Kabinett will das Paket mit sechs Gesetzesvorhaben nächsten Montag beschließen, bis Ende Juni soll der Bundestag abstimmen.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier knüpft die Zustimmung seiner Partei an Bedingungen. Nötig sei ein Gesetzentwurf, der den Ausstieg aus der Kernkraft unumkehrbar festschreibe, sagte Steinmeier NDR Info. Angesichts des Beharrens der Regierung auf einem Ökostrom-Anteil von 35 Prozent bis 2020 deutete Steinmeier aber an, dass die SPD nicht alle Gesetze zur Energiewende mittragen könnte.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir machte eine Zustimmung seiner Partei von der Bereitschaft der Koalition zu Nachbesserungen abhängig. In der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag) nannte er die „Stand-by-Regelung“ genannte „Kaltreserve“ nicht akzeptabel.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) signalisierte der Opposition Verhandlungsbereitschaft. „Jetzt ist jeder eingeladen, noch einen Vorschlag zu machen, aber auch bitte mit dem Willen zum Ergebnis und zum Konsens beizutragen“, sagte er in der ARD.
Zu einer möglichen Klage sagte ein Eon-Sprecher: „Es gibt gute Gründe für eine Klage, aber eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.“ Vorstandschef Johannes Teyssen hatte angekündigt, bis Ende Mai zu entscheiden, ob Eon gegen die Brennelementesteuer klagt.
Sie sollte dem Bund ursprünglich bis 2016 rund 2,3 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Bleiben acht Meiler abgeschaltet, verringern sich die Einnahmen auf jährlich gut 1,3 Milliarden Euro.
Atomkraftgegner glauben nicht an neue Erkenntnisse bei der Suche nach Alternativen zur Atommülllagerung in Gorleben. „Eine neue Endlager-Suche wird so nicht stattfinden, nicht in Bayern und auch nicht anderswo“, sagte Jochen Stay von der Organisation „Ausgestrahlt“. Die Regierung unter Helmut Kohl habe vor 20 Jahren einen ähnlichen Beschluss gefasst. Konsequenzen seien ausgeblieben.