Gastbeitrag Christian Lindner Auch die Generation der Enkel hat Fairness verdient

Die neue Arbeitswelt braucht ein flexibles Rentensystem - Fünf Vorschläge zur Debatte.

Symbolbild

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Foto: Maja Hitij

Berlin. Schon zu Beginn dieser Legislaturperiode ist die große Koalition über die Rentenkasse hergefallen wie ausgehungerte Raubtiere über ihre wehrlose Beute. Mit der so genannten Mütterrente und der vorzeitigen Rente ab 63 Jahre hatten Union und SPD das teuerste Rentenpaket aller Zeiten beschlossen - und ein wirkungsloses und ungerechtes zugleich.

Wenn sich Sigmar Gabriel und Horst Seehofer jetzt erneut ein Wettrennen um die nächste Rentenerhöhung liefern, müssen wir ihnen entgegnen: Jeder Euro, der zusätzlich ausgegeben wird, muss erwirtschaftet werden. Und auch die Generation der Enkel hat Fairness verdient.

Für Gabriel und Seehofer ist die Rente nur wahltaktisches Kalkül. Für uns Freie Demokraten ist es eine Frage der Vernunft: Alterssicherung muss gerecht und verlässlich sein, aber auch solide finanziert. Auch im Alter muss mindestens das Existenzminimum gesichert sein - in diesem Sinne ist Solidarität für uns selbstverständlich. Aber ebenso gilt für uns: Ein faires Steuer- und Abgabensystem muss der aktiven Erwerbsgeneration Freiraum für eigene Altersvorsorge belassen. Und: Wer mehr vorgesorgt hat, muss im Alter auch höhere Leistungen bekommen.

Es läuft viel schief in unserem heutigen Rentensystem. Wir sollten es besser machen, anstatt neue Probleme zu schaffen. Fünf Vorschläge:

Erstens: Die Arbeitswelt der Zukunft wird bunter und verlangt mehr Flexibilität im Sinne eines individuellen Baukastens. Dazu gehören Elemente verpflichtender und freiwilliger Vorsorge. So wie sich heute die beruflichen Situationen der Menschen häufiger verändern, soll auch ein problemloser Wechsel der alterssichernden Elemente ermöglicht werden.

Zweitens: Voraussetzung ist, dass die gesetzliche Rente effizienter organisiert wird und für die private Vorsorge rentablere Anlageformen möglich werden. In Zeiten niedriger Zinsen werden die Erwartungen vieler Versicherter bitter enttäuscht. Die Europäische Zentralbank muss endlich Schluss machen mit ihrer Niedrigzinspolitik. Und den Versicherungen sollte ermöglicht werden, direkt in Unternehmen zu investieren.

Drittens: Wir wollen das starre Rentensystem überwinden und einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Die Menschen sollen ab dem 60. Lebensjahr individuell selbst entscheiden, ob und wann sie Rente beziehen möchten. Das schafft Freiräume für einen gleitenden Übergang, so wie es sich viele Menschen auch wünschen. Wer seine Rente früher bezieht, erhält eine geringere Rente, wer länger arbeiten möchte, eine höhere.

Viertens: Altersvorsorge ist auch eine Frage der Transparenz. Wir schlagen vor, im Zuge eines eGovernment-Bürgerportals jedem die Einrichtung eines individuellen Vorsorgekontos anzubieten. Ob gesetzliche, private oder betriebliche Altersvorsorge - auf der Online-Plattform soll die bisher erreichte Summe der eigenen Ansprüche abgebildet werden. Das Vorsorgekonto verschafft Übersicht und deckt Versorgungslücken frühzeitig auf.

Fünftens: Menschen, die keine existenzsichernden Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, sollen künftig nicht mehr vom Sozialamt abhängig sein. Wir schlagen vor, die ergänzende Grundsicherung im Alter unter einem Dach mit der gesetzlichen Rentenversicherung zusammenzuführen. Rentnerinnen und Rentner mit unzureichendem Einkommen erhalten dann Rente und Grundsicherung aus einer Hand. Und damit sich Altersvorsorge für alle immer lohnt, sollen in der Rentenphase Einkünfte aus der freiwilligen Altersvorsorge nur teilweise auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Mit diesen Vorschlägen wollen wir die Altersvorsorge in Deutschland modernisieren. Wir wollen mehr Flexibilität und mehr Freiraum für eigene Entscheidungen. Auf neue und teure Wahlversprechen für einzelne Gruppen muss aber verzichtet werden.