Ausgeglichener Haushalt weckt neue Begehrlichkeiten
Berlin (dpa) - Nach dem ersten ausgeglichenen Bundeshaushalt seit 45 Jahren bahnt sich in der schwarz-roten Koalition ein neuer Streit über Steuersenkungen an. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider forderte, den Spielraum zügig zu nutzen, Steuerentlastungen auf den Weg zu bringen und mehr zu investieren.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht begrenzte Möglichkeiten. „Wenn wir diese Finanzpolitik fortsetzen können, dann werden wir auch Spielraum für zusätzliche Investitionen gewinnen“, sagte er am Rande einer Sitzung der Unionsfraktion. Die Spielräume seien so groß wie die wirtschaftliche Entwicklung sei.
Laut CDU-Generalsekretär Peter Tauber ist ein schuldenfreier Haushalt auch 2015 nicht gesichert: „Deshalb ist es falsch, wenn SPD und Linke jetzt nichts Besseres zu tun haben, als rasche Steuererleichterungen und weitere Ausgaben zu fordern.“
Schäuble musste im vergangenen Jahr überraschend keine neuen Schulden machen und erreichte die erst für 2015 angestrebte „schwarze Null“ ein Jahr früher. Es ist das erste Mal seit 1969. „Das ist ein Zeichen, dass man mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung und soliden Finanzpolitik das Land voranbringen kann“, sagte Schäuble. Es sei ein Rahmen gesetzt, auch in den kommenden Jahren bei normaler Entwicklung ohne neue Schulden auszukommen.
Die Grünen warfen Schäuble vor, viel Glück gehabt und Schulden in Schattenhaushalten versteckt zu haben. Fraktionschef Anton Hofreiter bilanzierte: „Viel Show, wenig Substanz.“ Auch die Linken sehen nach den Worten von Dietmar Bartsch keinen Grund zum Feiern. Die „schwarze Null“ sei vielmehr „Ergebnis einer Politik zulasten heutiger und künftiger Generationen“.
Der Etatausgleich gelang durch Minderausgaben, höhere Steuereinnahmen sowie einen Sondereffekt aus der Atomsteuer. Daher musste die für 2014 gebilligte Nettokreditaufnahme von 6,5 Milliarden Euro nicht genutzt werden. Der Bund häufte in den vergangenen Jahrzehnten rund 1300 Milliarden Euro Schulden an.
Schneider forderte, das Kabinett solle noch im Januar Pläne zur Anpassung der Steuerfreibeträge und des Kindergeldes sowie zum Abbau heimlicher Steuererhöhungen („kalten Progression“) vorlegen. Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung des Freibetrages für Alleinerziehende müsse angegangen werden.
Ein höherer Grund- und Kinderfreibetrag sind nach dem neuen Existenzminimumbericht geboten. Die Ressortabstimmung dauert aber.
Schäuble bekräftigte, dass der Grundfreibetrag angepasst werde. Das werde „in den ersten Wochen dieses Jahres“ entschieden. Daraus ergäben sich auch Konsequenzen für eine Anpassung des Kindergeldes, „so wie wir es in den letzten Jahrzehnten immer gemacht haben“. Schäuble dämpfte aber Erwartungen: „Das ist ein begrenzter Spielraum, denn wir haben ja durch die geringe Preissteigerungsrate auch nur einen geringen Bedarf zur Erhöhung des Grundfreibetrages.“
Die Ausgaben des Bundes fielen 2014 mit 295,5 Milliarden Euro um eine Milliarde geringer aus. Die Steuereinnahmen lagen mit 270,8 Milliarden um 2,6 Milliarden Euro über dem Plan. Zudem konnte der Bund 2,3 Milliarden Euro aus der Kernbrennstoffsteuer verbuchen.