Austrittswelle bei der katholischen Kirche
Berlin (dpa) - Der Missbrauchsskandal, aber auch die Affäre um den Augsburger Bischof Walter Mixa haben dieses Jahr eine neue Welle von Austritten aus der katholischen Kirche ausgelöst.
Besonders groß ist der Aderlass nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa im Bistum Augsburg, wo bis Mitte Dezember 11 351 Menschen die katholische Kirche verließen. Im Vorjahr waren es 6 953 gewesen. Aber auch in anderen Bistümern kehrten Tausende der Institution Kirche den Rücken.
Wichtigster Beweggrund war nach Einschätzung der Bistümer das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen. So wurden die meisten Austritte im Frühjahr verzeichnet, als die Skandale publik wurden. Im Bistum Augsburg kam der Streit um Bischof Mixa hinzu, der auch deshalb unter Druck geriet, weil er zugeben musste, als Stadtpfarrer von Schrobenhausen Heimkinder geschlagen zu haben. Erst nach einem heftigen öffentlichen Schlagabtausch reichte Mixa im April seinen Rücktritt ein.
Seither verlassen die Gläubigen in Scharen die Kirche. Besonders dramatisch ist die Entwicklung laut „Frankfurter Rundschau“ im Bistum Rottenburg-Stuttgart, wo von Januar bis Mitte November 17 169 Katholiken ihren Austritt erklärten (2009: 10 619). Im Bistum Trier verabschiedeten sich demnach bis Mitte November 7029 Mitglieder. Im Bistum Würzburg waren es laut dpa-Umfrage bis Oktober 5484 (2009: 3788) und im Bistum Osnabrück bis November 2817 (2009: 2100). Das Bistum Bamberg rechnet bis zum Jahresende mit rund 6000 Austritten (2009: 3991).
In Berlin wurde inzwischen ein weiterer Priester wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch beurlaubt, das Erzbistum schaltete zudem die Staatsanwaltschaft ein. Der Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums informierte am Sonntag die Gemeinde Herz Jesu Tegel darüber, dass es Vorwürfe gegen ihren bisherigen Pfarrer aus den 90er Jahren gebe.
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann hofft, zumindest einige der Menschen, die sich in Folge der Skandale von der Kirche abgewandt hätten, zurückgewinnen zu können. „Jeder einzelne Austritt schmerzt und ist einer zu viel“, sagte Hofmann der dpa. „Ich hoffe, dass so mancher wieder zurückkehrt, wenn sich die Verärgerung über aktuelle Ereignisse gelegt hat.“ Hermann Haarmann vom Bistum Osnabrück meinte dagegen: „Einem Austritt geht in der Regel schon ein längerer Entfremdungsprozess voraus.“
Die Bewegung „Wir sind Kirche“ warf den Bischöfen vor, die Krise auszusitzen. Nötig sei ein offener Dialog über die strittigen Themen. Dieser werde aber im Jahr des Papstbesuchs 2011 kaum möglich sein, sagte Sprecher Christian Weisner der „Frankfurter Rundschau“. Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mahnte zur Wachsamkeit. Er habe die Opfer im Namen der Kirche um Vergebung gebeten, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk.
Laut „Süddeutscher Zeitung“ treten immer mehr Katholiken zu den Protestanten über. Allein die evangelische Landeskirche in Bayern verzeichnete demnach bis Ende November mehr als 5000 Eintritte; in den vergangenen Jahren waren es im Schnitt um die 3500 gewesen. Neben den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche habe Anfang 2010 aber auch die große Popularität der damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann eine Rolle gespielt, hieß es.