Bischöfe wählen Kardinal Marx zu ihrem Vorsitzenden
Münster (dpa) - Der Papst-Vertraute Kardinal Reinhard Marx ist neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz und damit künftig das Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland.
Das Führungsgremium wählte bei der Frühjahrsvollversammlung in Münster den Erzbischof von München und Freising im vierten Wahlgang mit einfacher Mehrheit. Er sehe das neue Amt als große Herausforderung, sagte der 60-jährige Marx. „Wir haben einen Aufbruch durch Papst Franziskus, der muss sich verstetigen.“
Marx tritt die Nachfolge von Robert Zollitsch an. Der 75 Jahre alte Freiburger Erzbischof hatte das Amt sechs Jahre inne und kandidierte aus Altersgründen nicht wieder.
Marx gilt als konservativ, aber nicht als Hardliner. Er war bereits 2008 als Favorit gehandelt worden, damals aber Zollitsch unterlegen. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ist das Führungsgremium der katholischen Kirche hierzulande mit ihren rund 24,3 Millionen Mitgliedern.
Vor der Wahl waren mehrere Kandidaten im Gespräch. Es brauchte vier Anläufe, ehe Marx die notwendige Mehrheit auf sich vereinte. Das genaue Wahlergebnis wird nach Angaben des Sekretariats der DBK nicht veröffentlicht.
Marx' zupackende Art und sein Geschick im Umgang mit Medien findet nicht jeder seiner Bischofskollegen gut. „Es war eine ehrliche Wahl“, sagte er selbst dazu. Sie habe gezeigt, dass die katholische Kirche in Deutschland über eine ganze Reihe von Persönlichkeiten verfüge, die für solche Aufgaben infrage kommen.
Der gebürtige Westfale war zunächst Bischof in Trier und ist seit 2007 Erzbischof in München. Er verwies darauf, dass er über viel Erfahrung verfüge und bereits diverse andere zusätzliche Aufgaben übernommen habe.
So berät Marx Papst Franziskus bei der Reform der Kurie, leitet den vom Papst neu geschaffenen Wirtschaftsrat im Vatikan und auch die Europäische Kommission der Bischofskonferenzen. Wie er dies alles schaffen soll? „Ich muss mich in den kommenden Tagen noch mal zurückziehen und meine Gedanken sortieren.“
Die katholische Kirche in Deutschland befindet sich spätestens seit dem Missbrauchsskandal vor einigen Jahren in einer Krise und steht vor vielen Herausforderungen. Nicht alle im Klerus hierzulande teilen die Begeisterung über den von Papst Franziskus verkörperten neuen Stil und Aufbruch. Auch sind sich die Bischöfe uneins, welche Reformen sie wie anpacken sollen.
Ein Thema, das viele Gläubige beschäftigt, ist der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die nicht am Abendmahl teilnehmen dürfen. Betroffene sehen dies als Ausgrenzung. Die Bischofskonferenz strebt hier zwar neue Lösungen an, fasste dazu in Münster jedoch keine Beschlüsse. Besprochen haben die Bischöfe in Vorbereitung der Wahl auch eine Umfrage, nach der die meisten Gläubigen mit der Sexualmoral der Kirche nichts mehr anfangen können - konkrete Konsequenzen zogen die Oberhirten ebenfalls nicht.
Die Bischofskonferenz ist unter anderem für übergreifende Fragen der Seelsorge und internationale Kontakte zuständig. Die Mitglieder treffen sich in der Regel zweimal im Jahr. Ihrem Vorsitzenden kommt eine herausgehobene Rolle zu, er ist aber nicht der Chef der Bischöfe. Immer wieder muss er bei widerstreitenden Interessen der Bischöfe vermitteln und Kompromisse aufzeigen. Zudem pflegt er enge Kontakte zum Papst in Rom sowie zur deutschen Politik.
Die kritische Laieninitiative „Wir sind Kirche“ forderte vom neuen Vorsitzenden, den Dialogprozess mit der Basis fortzusetzen. Man erwarte, „dass die Bischöfe nach der Wahl konsequent sind und ihren Vorsitzenden dann in den nächsten Jahren auch unterstützen“, sagte Sprecher Christian Weisner der Nachrichtenagentur dpa.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, und der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, gratulierten Marx zur Wahl. „Wir brauchen heute mehr denn je das gemeinsame Zeugnis unserer Kirchen, damit es deutlicher in unsere Gesellschaft hineinwirkt“, sagte Schneider.
Bundespräsident Joachim Gauck sieht in Marx einen wichtigen „Brückenbauer zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft“. Er gratulierte dem Kardinal und wünschte ihm für seine neuen Aufgaben „Weitsicht, Erfolg und Gottes Segen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wünschte Marx für seine Aufgabe eine glückliche Hand.
Nach Überzeugung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) steht Marx für eine offene Gesprächskultur. „Kardinal Marx wird den Weg des Dialogprozesses fortsetzen“, sagte ZdK-Präsident Alois Glück der Nachrichtenagentur dpa. „Er steht für eine Haltung, den Wandel aktiv zu gestalten und nicht passiv zu erleiden.“
Nach Einschätzung des Sozialethikers und Theologen Karl Gabriel rücken die deutschen Bischöfe näher an den Kurs von Papst Franziskus. Die Wahl von Marx sei ein deutliches Zeichen für diesen Schulterschluss, sagte der Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster der dpa. „Der Papst-Vertraute Marx steht für eine Präsenz der Kirche in gesellschaftlichen Fragen.“