Bundesanwaltschaft ermittelt nach Attentat auf Kölner OB

Köln/Karlsruhe (dpa) - Nach dem Attentat auf Henriette Reker hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen im Fall der gewählten Kölner Oberbürgermeisterin an sich gezogen.

Grund ist die besondere Bedeutung des Falls, wie Generalbundesanwalt Peter Frank erklärte. Er wies insbesondere auf die Schwere der Tat und die vom Beschuldigten angestrebte öffentliche Signalwirkung hin. Die 58-jährige Reker (parteilos) war am Samstag noch vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin von einem 44-Jährigen aus fremdenfeindlichen Motiven niedergestochen und schwer verletzt worden.

Sie ist nach einer Notoperation auf dem Wege der Besserung. Nach Informationen des Kölner „Express“ soll sie aus einem „Narkose-Schlaf“ bereits wieder aufgewacht sein. Anders als ihre Amtskollegen in zahlreichen anderen nordrhein-westfälischen Kommunen wird sie ihr Amt am Mittwoch wegen ihres Gesundheitszustandes noch nicht antreten können.

Der Täter sitzt wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Er hat fremdenfeindliche Motive genannt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes unterhielt er auch Kontakte in die rechtsextreme Szene.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, nach ersten Ermittlungen habe der Beschuldigte ein Zeichen setzen wollen gegen die wachsende Zahl der Flüchtlinge hierzulande. Reker habe er als Sozialdezernentin als mitverantwortlich angesehen. Die Bundesanwaltschaft kann Ermittlungen an sich ziehen, wenn die innere Sicherheit in Gefahr geraten könnte.

Der Anschlag auf die von CDU, Grünen und FDP unterstützte Reker löste eine Debatte über die gefährliche und zunehmende Hetze gegen Flüchtlinge aus. Die Tat ist nach Einschätzung von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine Folge davon. „Dieser offensichtlich politisch motivierte Mordanschlag zeigt, welche furchtbaren Auswirkungen es hat, wenn die Saat hasserfüllter und fremdenfeindlicher Parolen im Netz und auf der Straße aufgeht“, sagte Jäger.

Reker war bisher als Sozialdezernentin auch zuständig für die Flüchtlinge in Köln, sie hatte sich im Wahlkampf wiederholt für die Integration von Asylbewerbern ausgesprochen.

Im Internet gebe es eine unglaubliche Zunahme der Hetze gegen Flüchtlinge und Aufnahmeeinrichtungen, sagte NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier im WDR. Wenn man online Applaus für seine Hetze erhalten habe, dann könnten „schnell aus Worten Taten werden“.

Der Attentäter unterhielt jahrelang Kontakte in die rechtsextreme Szene, wie der Verfassungsschutz auf dpa-Anfrage mitteilte. In den 1990er Jahren soll er in Bonn Kontakte zur „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) unterhalten haben, einer aggressiven Neonazi-Partei, die 1995 verboten wurde. 1994 sei der Mann nach Teilnahme an einem „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Luxemburg von der Polizei in Gewahrsam genommen worden.

Der Attentäter hatte Reker niedergestochen und war noch am Tatort festgenommen worden. Ein Psychiater stufte ihn als voll schuldfähig ein. Die Kölner Polizei sagte, der genaue Tathergang könne noch nicht geschildert werden. Von den insgesamt fünf Verletzten sei neben Reker ein weiteres Opfer im Krankenhaus behandelt worden.

Der Polizeisprecher bestätigte Medienberichte, nach denen der 44-Jährige in seiner Wohnung vor der Tat akribisch alle Hinweise vernichtet hatte. „In der Wohnung war alles, was Rückschlüsse geben kann auf die Person oder sein persönliches Umfeld, zerstört oder beseitigt worden.“ Festplatten wurden entfernt, es fanden sich keinerlei Dokumente, Post oder persönliche Papiere. Es handele sich nach bisherigen Erkenntnissen um einen Einzeltäter ohne Komplizen.

Mit dem Attentat rückte auch der Schutz für Kommunalpolitiker in den Blick. Der Städte- und Gemeindebund sieht sie durch Angriffe von Extremisten immer stärker gefährdet. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte im Deutschlandfunk, die Kommunalpolitik brauche den Schutz des Staates.

Die parteilose Reker war am Sonntag schon im ersten Wahlgang mit 52,7 Prozent zur ersten Frau auf den Chefsessel im Rathaus der viertgrößten Stadt Deutschlands gewählt worden.

Der Weg ins Oberbürgermeisteramt ist für die 58-Jährige nun nicht mehr weit: Zunächst stellt der Wahlausschuss am Dienstagabend fest, dass sie die Wahl gewonnen hat. Sobald sie darüber informiert ist, kann sie die Wahl annehmen und ist damit im Amt, wie die Stadt mitteilte. Ihre protokollarische Amtseinführung wird allerdings verschoben. Stadtdirektor Guido Kahlen und die vier Kölner Bürgermeister übernehmen ab Mittwoch bis auf Weiteres die Geschäfte.