Bundestag billigt Spanienhilfe - ohne Kanzlermehrheit
Berlin (dpa) - Der Bundestag hat die europäischen Milliardenhilfen für die angeschlagenen spanischen Banken mit großer Mehrheit gebilligt. Schwarz-Gelb verfehlte am Donnerstag aber erneut die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit - diesmal um zehn Stimmen.
Union und FDP reagierten gelassen, die SPD sprach von einer Niederlage für Kanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende und FDP-Chef Philipp Rösler hatten schon zuvor versichert, dass ein solches Ergebnis keine Auswirkungen auf die Koalition haben werde.
Insgesamt sind für die spanischen Banken Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen. Die Hilfsaktion ist die erste, bei der Geld aus dem vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF zur Stützung von Banken bereitgestellt werden soll und die damit verbundenen Auflagen nur den Finanzsektor betreffen. Dagegen hatten nicht nur Abgeordnete der Opposition, sondern von Union und FDP erhebliche Bedenken geäußert.
Bei der Abstimmung erreichte das Regierungslager zwar eine eigene Mehrheit. Mit 301 Ja-Stimmen verpasste Schwarz-Gelb aber zum wiederholten Male die Kanzlermehrheit. Dafür hätte die Koalition 311 Ja-Stimmen gebraucht - eine Stimme mehr als die Hälfte aller 620 Abgeordneten. Diese psychologisch wichtige Marke hatte Merkel bereits beim Beschluss über das zweite Hilfspaket für Griechenland im Februar und den drei namentlichen Abstimmungen zum Euro-Rettungsschirm ESM Ende Juni gerissen.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wertete dies als Beweis dafür, dass Merkel nicht mehr die erforderliche Unterstützung habe. „Auf die Koalition kommen noch wichtige Entscheidungen zu. Diese Bundeskanzlerin aber ist schon jetzt handlungsunfähig“, erklärte er.
Für die Sondersitzung waren die Parlamentarier aus der Sommerpause zurückgekehrt; von den insgesamt 330 Abgeordneten von Schwarz-Gelb fehlten fünf entschuldigt. Insgesamt sprachen sich 473 der 583 anwesenden Abgeordneten für die Hilfen aus, darunter mehrheitlich auch die Vertreter von SPD und Grünen. 97 waren dagegen, 13 enthielten sich. Die Linke lehnte die Banken-Hilfen geschlossen ab.
Bereits an diesem Freitag wollen die Euro-Finanzminister die Vereinbarung der EU- und Euro-Partner unterzeichnen, Spanien folgt am 24. Juli. Deutschland haftet für die Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro mit fast 30 Milliarden. Bedingung für die Hilfe ist, dass Spanien den Bankensektor saniert, der an den Folgen einer geplatzten Immobilienblase leidet.
Vor der Abstimmung versicherte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einer Regierungserklärung noch einmal, dass die Hilfen an strenge Auflagen geknüpft seien und der Staat ohne Abstriche dafür geradestehe: „Spanien stellt den Antrag. Spanien bekommt das Geld zur Bankenrekapitalisierung. Und Spanien als Staat haftet für die Hilfen aus dem EFSF.“ Ohne die Lösung der spanischen Bankenkrise wäre die Finanzstabilität der gesamten Eurozone gefährdet.
Der Euro fiel während der Bundestagssitzung am Nachmittag auf ein Tagestief von 1,2229 US-Dollar, nachdem er am Morgen noch um einen Cent höher gelegen hatte. Äußerungen Schäubles zur Bankenrettung hätten die Gemeinschaftswährung belastet, hieß es aus dem Handel.
Die SPD kritisierte im Bundestag vor allem das Krisenmanagement der Bundesregierung. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Kanzlerin vor, vorher bekräftigte rote Linien in immer kürzeren Abständen zu überschreiten. „Wer sich immer mehr von der Realität entfernt, dem glauben irgendwann die Menschen nicht mehr.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verlangte strengere Auflagen für die Banken im ganzen Euro-Raum.
Die Linke lehnte die Rettungsaktion generell ab. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht kritisierte, Steuerzahler und Kommunen würden ausgeplündert, um gigantische Summen für die Banken zu „verpulvern“. Der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe und der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler begründeten ihr Nein damit, dass es keine Erklärung dafür gebe, warum die Steuerzahler in Europa die Zeche für das Missmanagement spanischer Banken zahlen sollten.
Das spanische Parlament billigte derweil das jüngste, bis zu 65 Milliarden Euro schwere Sparpaket der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Es enthält eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer, eine Kürzung des Arbeitslosengeldes und die Abschaffung des Weihnachtsgeldes für Staatsbedienstete. Die neuen Sparmaßnahmen entsprechen mehrheitlich Forderungen der EU-Kommission.