BVG-Urteil: Schutz vor Datensammlerwut

Am Gesetz zur Antiterrordatei muss einiges geändert werden entscheiden Karlsruher Richter.

Karlsruhe. Eine arglose Unterhaltung am Straßenrand — und schon ist es passiert. Der Bürger findet sich als Kontaktperson in der Antiterrordatei wieder — und auch dann, wenn er mit einem Islamisten gesprochen hat, ohne es zu wissen.

So war es bisher. Doch nun geht es so nicht mehr. Denn diese und andere die Personenerfassung betreffenden Passagen im Antiterrorgesetz sind zu weit oder zu schwammig gefasst.

Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Grundsätzlich haben die Richter die umstrittene Antiterrordatei zwar abgesegnet. Dass jemand in die Datei aufgenommen wird, obwohl er von dem Terrorbezug des Verdächtigen gar nichts weiß, das geht ihnen aber deutlich zu weit.

Außerdem darf die Datensammlung und deren Austausch unter den Sicherheitsbehörden nicht im Geheimen vonstatten gehen. Öffentliche Kontrolle fordern die Richter des Ersten Senats in Karlsruhe daher. Eine zentrale Rolle messen sie den Datenschutzbeauftragten zu. Diese müssen Zugriffe und Änderungen im Datenbestand regelmäßig kontrollieren — und zwar spätestens alle zwei Jahre.

Und auch das Bundeskriminalamt muss demzufolge entsprechende Berichte an den Bundestag abliefern. Dennoch hatten die Richter vor allem das „hohe Ziel der Terrorismusbekämpfung“ im Blick. Und daher ist man dem Gesetzgeber in dem sehr differenzierten 88 Seiten starken Urteil auch entgegen gekommen. So billigte der Senat die „Grundstruktur“ der Antiterrordatei als verfassungsgemäß.

Darüber hinaus wird die Aufweichung der bis dato hoch gehaltene Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei bestätigt. Dieses sogenannte Trennungsgebot ist in Deutschland eine Konsequenz aus den Erfahrungen des Dritten Reichs.

Es besagt, dass beide Sicherheitsbehörden nicht direkt zusammenarbeiten dürfen. Das bleibt auch weiter so. Aber der Datenaustausch ist künftig — wenn auch unter sehr engen Voraussetzungen — erlaubt. Hätten die Richter anders entschieden, hätten sie die Datei wohl ganz kippen müssen.

Wie schnell Menschen in die Verbunddatei von Polizei und Nachrichtendiensten geraten können, obwohl sie mit gewaltbereiten Islamisten nicht das Geringste zu tun haben, war in der mündlichen Verhandlung im November deutlich geworden: In einem der Fälle hatte ein Bürger den Kindergarten eines Moschee-Vereins unterstützt — nicht ahnend, dass die Behörden den Verein der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verdächtigten. Der Betroffene landete deshalb als Unterstützer von Unterstützern in der Datei.