München CSU-Parteitag: Die AfD im Nacken und ein Spieler als Chef

Hinter den konservativen Tönen steckt tiefe Verunsicherung. Seehofers Verantwortung wächst.

Der Vorsitzende Horst Seehofer sprach gleich zwei Mal: 105 lange Minuten am Freitag, noch einmal 25 Minuten am Samstag.

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München. Auffallend häufig fielen beim CSU-Parteitag in München Begriffe wie "tektonische Verschiebungen" oder "Schicksalswahlen". Ebenso auffallend war, dass es kaum strittige Debatten gab. Dafür redete der Vorsitzende Horst Seehofer gleich zwei Mal, 105 lange Minuten am Freitag, noch einmal 25 Minuten am Samstag. Das bedeutet: In ihrer Verunsicherung vertrauen die Delegierten der Parteispitze nahezu blind. Führt sie die CSU allerdings ins Verderben, wird die Rache umso größer sein. Die Partei scheint im Augenblick zwar so sicher an der Macht zu sein, wie eh und je. Doch ist der Abgrund nah.

Das eine Problem ist die Konkurrenz der AfD, die in Bayern zwar noch nicht so stark ist wie andernorts, aber auch dort dazu führt, dass die CSU ihre absolute Mehrheit zu verlieren droht. Wenn sie aber mit anderen koalieren muss - womöglich sogar mit den verhassten Grünen oder der SPD - dann verliert sie ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit, dann ist sie eine Partei wie jede andere. Es ist, als ob Bayern München im Fußball nur noch auf einem Europa-League-Platz landen würde.

Das Gegenkonzept: Die CSU hat auf dem Parteitag mit dem neuen, einstimmig angenommenen Grundsatzprogramm und anderen Beschlüssen ihr konservatives Profil geschärft und sich für AfD-Anhänger wählbarer gemacht. Als "Mitte-Rechts" definiert Seehofer den Standort und verkündet den Kampf um "das demokratische Spektrum rechts von der Mitte".

Nur läuft das in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik nicht synchron mit der CDU. Seehofer hat seine Partei so sehr gegen Merkels Kurs auf die Bäume getrieben, dass nicht mehr klar ist, ob ein gemeinsamer Bundestagswahlkampf überhaupt noch möglich ist. Viele möchten Merkel sogar abstrafen. Auf dem Parteitag gab es den Antrag eines Delegierten, im nächsten Bundestag gegen ihre Wiederwahl zu stimmen.

Das Begehren wurde zwar klar abgelehnt, doch bleibt es Seehofers Aufgabe, die Kluft zur CDU irgendwie wieder zu schließen, ohne allzu offensichtlich einzuknicken. Seehofer versuchte es, indem er seine Partei gegen eine angebliche "Linksfront" in Deutschland positionierte, eine bewährte, aber auch recht plumpe Strategie in argumentativer Not. Der Gegner sei nicht die CDU, sagte er, und mahnte, es sei illusorisch zu glauben, man könne als Union im Herbst 2017 bei der Bundestagswahl verlieren und in Bayern als CSU kurz danach trotzdem glorios gewinnen. Der Brandstifter muss also Feuerwehrmann spielen.

Das zweite Problem ist, dass ausgerechnet in dieser heiklen Phase ein Generationswechsel ansteht. Seehofer geht irgendwann, aber wer kommt? Die Frage hat sich zu einem Kampf der Diadochen entwickelt, mit Finanzminister Söder, Wirtschaftsministerin Aigner, Innenminister Herrmann und dem Europapolitiker Weber in der Arena. Seehofer spielt mit ihnen.

Sein letztes Manöver war die Ansage, Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt sollten künftig getrennt werden, und zwar schon 2017. Der neue Parteichef gehöre an den Kabinettstisch nach Berlin. Weil Söder das partout nicht will, ist er so erst einmal ausmanövriert. Seehofer genießt die Wirkung seiner Winkelzüge mit geradezu diabolischer Freude, doch könnte sein Spiel leicht im Chaos enden, wie es der CSU schon einmal passierte: Nach dem "Putsch" 2007 gegen den damaligen Parteichef Edmund Stoiber verlor sie 2008 die absolute Mehrheit und landete bei 43,4 Prozent. Ungefähr so wenig hat die CSU derzeit in den Umfragen auch nur noch.