Analyse Das politische Tauziehen um mehr Kurzarbeitergeld
Berlin · Die SPD prescht vor beim Thema Kurzarbeitergeld, Union und Wirtschaft mauern gegen die Pläne. Und im Detail gibt es viele Probleme.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat seine Forderung nach einer pauschalen Aufstockung des Kurzarbeitergeldes am Montag bekräftigt. In der Union gibt es jedoch massiven Widerstand. Und der Teufel steckt wie so oft im Detail. Ein Überblick über die wichtigsten Positionen und Probleme:
Was will der Arbeitsminister?
Heil und seine Sozialdemokraten haben sich die Position des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu eigen gemacht, wegen der Corona-Krise die staatlichen Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld vorübergehend von 60 auf 80 Prozent des entgangenen Nettolohns anzuheben. Bei Arbeitnehmern mit Kindern sollen es 87 Prozent sein. Nach geltendem Recht bekommen Kurzarbeiter 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kindern) ihres Nettoverdienstausfalls von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezahlt.
Warum mauert die Union?
In erster Linie aus finanziellen Gründen. Die BA verfügt über Rücklagen von rund 26 Milliarden Euro. Das klingt viel. Doch je mehr Kurzarbeiter es gibt, desto schneller ist das Geld aufgebraucht. In einer ersten Kostenkalkulation war die Bundesregierung von bis zu 2,35 Millionen Kurzarbeitern in der Corona-Krise ausgegangen. Dafür hätten die BA-Reserven gut zweieinhalb Jahre lang gereicht. Mittlerweile haben jedoch bereits über 725 000 Unternehmen Anträge auf Kurzarbeit gestellt. Die Schätzungen liegen inzwischen bei über fünf Millionen Betroffenen.
Welche Probleme gibt es noch?
Die Union verweist zudem auf ein Gerechtigkeitsproblem. „Ein Kurzarbeiter hat immerhin noch einen Job“, sagte der CDU-Sozialexperte Peter Weiß unserer Redaktion. „Warum soll das Kurzarbeitergeld dann aufgestockt werden, das Arbeitslosengeld für einen Entlassenen aber nicht? Das passt nicht zusammen“, so Weiß. Das Arbeitslosengeld beträgt nach geltendem Recht ebenfalls 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kindern) des Lohnausfalls. Und noch ein Problem kommt hinzu: Viele Arbeitgeber haben sich im Rahmen von Tarifverträgen bereits selbst zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes verpflichtet.
Nach Angaben von Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, gilt für etwa zehn Millionen Tarifbeschäftigte bereits eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes – das sit etwa jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland. Aufstockungen liegen zwischen knapp 80 und 97 Prozent des entgangenen Lohns.
Welche Lösungen sind denkbar?
Das Bundesarbeitsministerium wollte sich gestern mit Verweis auf die intern laufenden Verhandlungen mit der Union nicht zu Details äußeren. Vom Arbeitnehmerflügel der Union (CDA) kommt der Vorschlag, sich auf ein staatliches Mindestkurzarbeitergeld auf Basis des Mindestlohns zu beschränken. Ein Vollzeitbeschäftigter mit Mindestlohn kommt derzeit auf rund 1600 Euro brutto im Monat. Netto sind das etwa 1200 Euro, was dann auch dem CDA-Vorschlag entspräche. Die Grünen plädieren für ein gestaffeltes Kurzarbeitergeld von bis zu 90 Prozent. Je höher der Verdienst, desto stärker würde es abgeschmolzen. Vorbild ist Österreich. Dort hatte man sich kürzlich auf ein solches Modell verständigt. Eine rasche Einigung zwischen SPD und Union ist dem Vernehmen nach allerdings kaum zu erwarten.