Debatte um Wulffs Verhalten geht weiter
Berlin/Hannover (dpa) - Auch nach der persönlichen Erklärung von Bundespräsident Christian Wulff zum Umgang mit dem Kredit für sein Privathaus geht die Debatte um ein mögliches Fehlverhalten weiter.
Wegen angeblicher Gratisreisen kam sein bisheriger Sprecher Olaf Glaeseker laut Medienberichten am Freitag unter Druck. Wulff hatte seinen langjährigen Vertrauten am Vortag ohne Angaben von Gründen entlassen.
In seiner Weihnachtsansprache, die am Sonntag über Rundfunk und Fernsehen ausgestrahlt wird, ging Wulff nicht auf die Vorwürfe gegen seine Person ein. In der kurzen Rede rief das Staatsoberhaupt zur Verteidigung der Demokratie gegen Extremisten auf und erteilte europakritischen Kräften eine klare Absage.
Vertreter von Union und FDP forderten nach der Klarstellung von Wulff ein sofortiges Ende der Diskussion. Die Opposition sieht dagegen weiteren Klärungsbedarf.
Nach einem Bericht von „stern-online“ ist Glaeseker offenkundig über kostenlose Urlaubseinladungen des Partymanagers Manfred Schmidt gestürzt. Glaeseker habe in seiner Zeit als Regierungssprecher in Niedersachsen mehrfach mit seiner Frau Ferien in Immobilien des Unternehmers in Spanien und Südfrankreich gemacht. In dieser Zeit sei Glaeseker auch mit Veranstaltungen Schmidts befasst gewesen. Zuletzt im Dezember 2009 seien mit einem von dem Kölner PR-Unternehmer organisierten Event die guten Beziehungen zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg gefeiert worden.
Die niedersächsische Staatskanzlei bestritt, dass sie in Wulffs Amtszeit an der Sponsorenwerbung für privat organisierte Veranstaltungen von Politikern und Unternehmern beteiligt gewesen sei. Dies berichtete das Magazin „Der Spiegel“ mit Blick auf eine Reihe von Zusammenkünften unter dem Titel „Nord-Süd-Dialog“.
Regierungssprecher Franz Rainer Enste sagte dazu, weder Wulff noch Glaeseker hätten für die Prominenten-Party von Niedersachsen und Baden-Württemberg in den Jahren 2007 bis 2009 Sponsoren geworben. „Nach meinen Unterlagen nicht“, fügte er hinzu. Wulff sei Schirmherr der Party gewesen. Glaeseker habe in seiner damaligen Funktion das Event „federführend betreut“ und als „Klammer“ zum Hauptorganisator Schmidt gedient.
Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Wulff mit seiner öffentlichen Erklärung wenig zur Aufklärung der Hauskauf-Affäre beigetragen. „Insofern bleiben eine ganze Reihe Fragen offen, so auch etwa die neue Frage nach den außergewöhnlichen Sonderkonditionen der BW-Bank, die nach einer plausiblen Antwort suchen“, sagte Steinmeier der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).
Wulff hatte sein 2008 aufgenommenes 500 000-Euro-Privatdarlehen bei der Unternehmergattin Edith Geerkens im März 2010 mit Hilfe der BW-Bank abgelöst. Sein Anwalt Gernot Lehr erläuterte am Freitag auf dpa-Anfrage die Konditionen: „Der Zinssatz für den rollierenden Geldmarktkredit orientierte sich wie üblich am Euriborzinssatz zuzüglich Aufschlag und betrug zuletzt 2,1 Prozent“, erklärte er. „Während der Laufzeit dieser kurzfristigen Einzelkredite trug Christian Wulff das Risiko der weiteren Zinsentwicklung allein.“ Seit kurzem seien die Zinsen höher: „Der Anfang Dezember vereinbarte Sollzinssatz für das zu tilgende Hypothekenbankdarlehen (Volltilgerdarlehen) mit einer Laufzeit von 15 Jahren beläuft sich auf 3,56 Prozent, der effektive Jahreszins beträgt danach 3,62 Prozent.“
Der Unions-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Peter Altmaier, forderte im ARD-„Morgenmagazin“, Wulffs Bedauern solle Anlass sein, über Weihnachten Druck aus der Debatte zu nehmen und sie zu versachlichen. „Christian Wulff ist dem nachgekommen, was man von ihm verlangt hat, und das verlangt Anerkennung.“
Ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). „Wir haben ein hohes Interesse daran, dass das Amt des Bundespräsidenten unbeschädigt bleibt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Daher halte ich ein gewisses Maß an Zurückhaltung für sinnvoll.“
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter, der kürzlich Wulffs Rücktritt gefordert hatte, sagte im RBB: „Es ist ein Anfang, dass er sein Verhalten bedauert, dass er sich entschuldigt. Aber es müssen weitere Schritte folgen, nämlich es müssen alle Fragen, die noch offen sind, lückenlos beantwortet werden (...), dann hat er eine zweite Chance.“
Die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke kritisierte im Sender NDR Info, Wulffs Stellungnahme sei „weder Fisch noch Fleisch“ gewesen. „Vor allem hat der Bundespräsident nichts dazu gesagt, ob es eigentlich richtig oder falsch gewesen ist, diese Kredite anzunehmen.“ Lemke sieht das Amt des Bundespräsidenten durch die Debatte bereits beschädigt.
Der Präsident hatte sich am Donnerstag für seinen zögerlichen Umgang mit der Kreditaffäre entschuldigt. Seit mehr als einer Woche gibt es Vorwürfe gegen Wulff wegen eines Hausdarlehens und zu enger Kontakte zu reichen Unternehmern in seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen.