„Mitten ins Herz“ Der Todesstoß von Frankfurt und die politischen Reaktionen
Berlin · Die Tat am Frankfurter Hauptbahnhof entfacht die Debatte über mehr Sicherheit. Der Täter soll psychisch krank gewesen sein.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach am Dienstag von einem „kaltblütigen Mord“ am Frankfurter Hauptbahnhof. Ein solches Ereignis treffe „mitten ins Herz“. Nun werde alles unternommen, um den mutmaßlichen Täter auch seiner gerechten Strafe zuzuführen. Zugleich richtete sich der Blick des Ministers auf die Verbesserung der Sicherheit an Bahnhöfen.
Am Montagvormittag soll ein aus Eritreer stammender Mann, Vater von drei Kindern, einen Achtjährigen und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen haben. Die Mutter konnte sich retten, der Sohn wurde getötet. Eine Tat, die für großes Entsetzen sorgte. Laut Schweizer Behörden soll sich der Tatverdächtige in psychiatrischer Behandlung befunden haben. Hinweise auf eine Radikalisierung oder ideologische Motive gebe es nicht.
Seehofer erklärte in Berlin, der Verdächtige habe seit über zehn Jahren eine Niederlassungserlaubnis in der Schweiz besessen. Er sei auch legal in Deutschland eingereist. Der 40-Jährige sei zudem ein Beispiel für „gelungene Integration“ gewesen. Aus dem Fall ergäben sich keine aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen, betonte der Minister. Gleichwohl wusste der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, zu berichten, dass der mutmaßliche Angreifer in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen ist. Er soll am vergangenen Donnerstag eine Nachbarin mit einem Messer bedroht, sie gewürgt und eingesperrt haben.
Die Vermutung liege daher nahe, so Romann, dass er sich auf der Flucht befunden habe. Der Mann sei aber weder bei der deutschen Polizei noch bei anderen hiesigen Behörden in den entsprechenden Registern geführt worden. Auch sei kein Asylverfahren anhängig. Eine Kontrolle an der Grenze habe nicht stattgefunden, da es keine regulären Grenzkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze gebe, erklärte Romann.
In aller Früh telefonierte Innenminister Seehofer mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Unter Einbezug der Bahn vereinbarten beide mehrere Spitzengespräche darüber, wie die Sicherheit an den Bahnhöfen verbessert werden kann. „Und zwar wirksam“, betonte Seehofer. Allerdings gibt es in Deutschland 5600 Stationen mit völlig unterschiedlichen Strukturen. Seehofer nannte den Ausbau der Videoüberwachung, mehr polizeiliche Präsenz, auch Veränderungen bei der technischen Ausstattung an den Bahnsteigen als mögliche Maßnahmen. Hinweise der Bahn auf Millionen-Kosten konterte Seehofer mit der Bemerkung: „Wenn es um Menschenleben geht, gefällt mir das Argument mit dem Geld überhaupt nicht.“ Angesichts eines so „grässlichen Verbrechens“ bestehe die Pflicht für die Politik, die Sicherheit der Bevölkerung weiter zu erhöhen.
Was möglich ist und was nicht, darüber wird nun politisch diskutiert. FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte unserer Redaktion, ein Abschirmen von Bahngleisen, etwa durch Glas- oder Plastikwände, könne insbesondere an S- und U-Bahnsteigen für mehr Schutz sorgen. „Im regulären Schienenverkehr an Bahnhöfen bietet sich dagegen keine einfache Lösung an.“ Denn eine einheitliche Abtrennung sei durch die Vielzahl an Zügen mit unterschiedlichen Längen, Höhen und Türen kaum möglich, erläuterte Luksic. „Hier kann man eher mit lokal erhöhter Präsenz der Polizei und Aufklärung über Risiken Gefahr eingrenzen.“
Von fast allen Seiten wurde zudem am Dienstag zur Besonnenheit aufgerufen. „Wir sollten einen Moment innehalten und uns fragen, wie wir mit solchen Taten umgehen“, mahnte die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. AfD-Vize Georg Pazderski erklärte hingegen: „Der tote Achtjährige vom Frankfurter Hauptbahnhof ist ein Fanal und muss die lange überfällige sicherheitspolitische Kehrtwende auslösen.“